2012 Keine Panik (German Edition)
Teleskop-Kamera geraten – z.B. helle Sterne oder Planten – können solche „überlaufenden Pixel“ und seltsamen Muster erzeugen. Normalerweise verschwinden diese Bildfehler im Laufe der Reduktion. Aber gerade bei Projekten wie SOHO, wo Bilder direkt vom Teleskop im All fast in Echtzeit im Internet veröffentlicht werden, sind die Aufnahmen nur wenig oder gar nicht bearbeitet, und somit übersät mit den unterschiedlichsten Bildfehlern (es sind so viele, weil die Teleskope im Weltall wesentlich öfter von Teilchen der kosmischen Strahlung getroffen werden als Teleskope hier auf der Erde).
Mangelnde oder fehlerhafte Bildbearbeitung ist auch die Ursache für die letzte große Gruppe an angeblichen Bildern von Planet X . Einige Internetdienste haben astronomische Aufnahmen aller Art zusammengesammelt und bieten sie als eine Art digitalen Himmelsatlas an, in dem jeder herumstöbern kann. Wer lange genug sucht, findet natürlich auch bei Google Sky oder dem „World Wide Telescope“ Regionen des Himmels, die eigenartige Dinge zu zeigen scheinen. Besonders gerne berichten Leute über Bereiche am Himmel, die angeblich „zensiert“ wurden. Die Aufnahmen zeigen einen schwarzen Bereich – für Verschwörungstheoretiker ein klarer Beleg dafür, dass jemand Planet X (oder UFOs oder sonst irgendetwas Mysteriöses) verstecken will. Das ist natürlich völliger Blödsinn. Erst einmal wäre es für die böse Weltverschwörung viel einfacher, ein Stück leeren Himmels (mit einigen unauffälligen Sternen im Hintergrund) an die zu zensierende Stelle zu setzen, anstatt einfach einer schwarzen Fläche, die jedem sofort auffallen muss. Und dann ist es eigentlich auch unmöglich, den Himmel zu zensieren. Er ist da, in all seiner Pracht. Man muss nur nach draußen gehen, die Augen auf machen und nach oben schauen! Wenn es einen Planeten gäbe, der auf dem Weg zur Erde wäre, dann könnte ihn jeder mit bloßem Auge sehen (wie in Kapitel 3 und Anhang C erklärt). Irgendwelche Bilder im Internet mit verdächtigen schwarzen Flecken zu versehen, um den mysteriösen Wanderer zu verstecken, hilft da nicht viel weiter. Natürlich sind dies keine Zensurversuche der astronomischen Weltverschwörung, sondern wieder nur ganz ordinäre Bild- bzw. technische Fehler. Manche Sterne sind so hell, dass man sie auf den Aufnahmen verdeckt hat, um den Rest der Himmelskörper besser erkennen zu können. Man sieht nur eine schwarze Fläche, hinter der vielleicht noch ein paar Lichtstrahlen hervortreten (gut zu erkennen ist das z.B. in Google Sky auf dem Bild von Sirius, dem hellsten Stern am Nachthimmel). Wer immer noch unsicher ist, kann auch professionelle Datenbanken wie Simbad ( http://simbad.u-strasbg.fr/simbad/ ) benutzen, um die entsprechenden Himmelsregionen auf „zensierte“ Bereiche zu überprüfen.
Für Laien verwirrend kann auch die Tatsache sein, dass der Himmel in Google Sky & Co oftmals ganz fleckig und zerstückelt aussieht. Der Grund: Diese Bilder sind aus Aufnahmen verschiedener Qualität zusammengesetzt. Das sieht man besonders dann gut, wenn man zum Beispiel vom sichtbaren Licht auf die infraroten Wellenlängen umschaltet. Manche Gegenden des Himmels sind im Infraroten detailliert beobachtet worden, andere gar nicht. Die Überlagerung solch unterschiedlich detaillierter Bilder erzeugt dann oft Strukturen, die seltsam erscheinen, wenn man nicht versteht, wie sie zu Stande kommen.
Einige Leserinnen und Leser werden mit meiner Erklärung vermutlich nicht zufrieden sein. Bildfehler sind nicht so spannend wie unbekannte Planeten oder außerirdische Raumschiffe. Wenn man auf einem Bild etwas sieht, was man selbst sich nicht erklären kann, dann ist es verlockend, sich eine spannende und dramatische Erklärung dafür auszudenken. Hinweise auf einen unbekannten Planeten zu entdecken, dessen Existenz „offensichtlich“ von einer großangelegten Verschwörung aus Politikern und Wissenschaftler vertuscht wird, ist aufregend und macht auf jeden Fall mehr Spaß als unser Alltagstrott. Aber die Realität kümmert sich leider nicht darum, was wir spannend finden, und was uns Spaß macht. Auch wenn viele Menschen Bildfehler als langweilige Erklärung betrachten, macht sie das noch nicht zu einer falschen Erklärung. Wir neigen dazu, unsere eigenen Fähigkeiten zu überschätzen, und wir neigen evolutionär bedingt dazu, überall Muster und bedeutungsvolle Information zu sehen, selbst da, wo es sie nicht gibt. Beides zusammen führt dazu, dass
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