2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
zu kommen und ihr wachsendes Regal mit Schrumpfköpfen gegen Kostüme von Prada und PR -Agenten und Dinners im Delano einzutauschen. Sie hatte einen Blick auf die Zukunft werfen können und war zu dem Schluss gekommen, dass diese Zukunft nicht viel hermachte.
Dagegen lässt sich nichts sagen, dachte ich. Ich war gefühlsduselig geworden, und jetzt musste ich selbst leise lachen. Achte auf die Stimmungsschwankungen, sagte ich mir. Auf jeden Fall hatte Koh recht. Selbst wenn ich sie in meinen Sarkophag mitnahm, konnte ich nicht sicher sein, ob es überhaupt möglich war, sie am Ende irgendwohin hochzuladen. Da hättest du dich vorher schlaumachen können, du Hampelmann, dachte ich. Und überhaupt, wen würde ich denn als Spender haben? Würde ich als mörderischer Körperdieb herumlaufen und Unschuldige killen müssen, damit meine Vampirbraut am Leben blieb, als wäre sie Jessica Harper in einem Film von Dario Argento? Hatte ich den letzten Rest Anstand verloren?
Ich wechselte das Thema.
»Darf ich fragen, ob diese Finger alle so gut arbeiten wie die anderen?«
»Ja«, sagte sie.
»Sind sie schwächer?«
»Ein bisschen schwächer als ihre Tanten«, sagte sie. Damit meinte sie ihre kleinen Finger. »Und manchmal tun sie weh. Der hier hat keinen Nagel.« Sie wackelte an dem künstlichen oder eher requirierten Nagel. Er war an einem Piercing im Fleisch darunter festgenäht. Ich streckte mich, schaute zur Decke und hielt die Hand an ihr Ohr. Zwischen uns herrschte dieses wunderbare natürliche Schweigen, bei dem es keine Rolle spielt, wo und wann man ist.
»Schokolade und Hirsch sind die Geschenke dieser Sonne«, sagte sie. Das hieß, dass es ein guter Tag gewesen war.
»Utz-utz« , sagte ich. »Sehr gut.«
»Nun wird es aber Zeit«, sagte sie und benutzte das Wort, das »jetzt und sofort« bedeutete.
Ich fragte sie, was sie meinte.
»Ich muss das Kochfeuer entfachen«, sagte sie. »Seidenweberinnen fressen nach der Paarung ihre Gatten.«
(54)
Mir gruselte ein bisschen, gelinde gesagt. Ein paar Schläge lang saß ich nur da. Ich fragte mich, ob ich zusehen sollte, dass ich dort wegkam. Nur dass ich nirgendwohin fliehen konnte. Nach draußen zu Hun Xoc? Nein, den hatten sie auch schon überwältigt. Mein Blick huschte zur Tür. Kohs Nacom, ein alter Rassler-Opferer mit geschwärzter Haut, kroch mit einem langstieligen Feuersteinmesser herein.
Spring vor. Pack Koh beim Hals. Versuch sie als Geisel zu nehmen.
Nein. Das schaffst du nie. Binnen zwei P’ip’ilob’ hätten sie dich von ihr weggerissen. Ihr gehört diese Stadt. Ich bin erledigt. Geschieht mir recht. Ist die Strafe dafür, dass ich mich mit diesen verfluchten Kopfjägern überhaupt abgebe.
Ich sah Koh wieder an. Ihr Blick verriet, dass alles in Ordnung war. Vielen, vielen Dank, dachte ich. Der Nacom rutschte auf den Knien zu uns. Vier Rassler-Assistenten kamen hinter ihm herein, hoben mich hoch und legten mich auf den kleinen Altartisch in der Mitte des Raumes, wobei sie mich an Armen und Beinen festhielten, damit mir nicht der Rücken brach. Der Nacom besprenkelte mich mit reinigendem B’alche’, sprach eine kurze Beschwörung und berührte mit seinem Feuersteinmesser meinen Adamsapfel, als entfachte er mit einem langen Streichholz ein Feuer. Ich spürte, wie ein ultraspitzer Steinhaken in meine Haut eindrang und eine lange, blutige Linie meine Brust hinunterzog. Der Nacom legte das Messer beiseite, hielt seine unreine Hand über meinen Unterleib – gefährlich nahe, doch ohne meine Haut zu entweihen –, hob ein grellrotes Annattostrauchtamale, modellierte daraus ein stilisiertes Herz und reichte es Koh. Zu meinem Entsetzen – ich nehme an, es war Teil ihrer New-Deal-Religion und sollte zeigen, dass sie immun war gegenüber der Berührung des Todes – brach sie ein Stück Kruste ab und verzehrtees. Alles backfrisch von Meisterhand, dachte ich. Wieder ein Beispiel von Kohs überragendem Sinn für Humor. Bei der Mieze wusste man nie, woran man war. Ich lehnte mich zurück und hörte zu, wie mein Schweiß und mein Urin zu Boden tropften. Koh kicherte leise. Lach dich tot, dachte ich. Ständig machte sie so etwas, Rätsel und infantile Streiche. Ich war ja so leichtgläubig. Ha, ha, ha.
Die Rassler-Weihekandidatinnen senkten mich auf ein mit Rotluchspelzen bedecktes Lager, wuschen mich mit drei Sorten Wasser und rieben mich mit vier Sorten Sand ab, um mich von Sex und Tod und weiß der Henker was noch zu reinigen.
Ich muss mit Koh-Baby
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