2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
gegeben hat, der Camelot hieß. Und sie werden antworten: Ja, und?
Trotzdem, ich habe wenigstens einen Opferspiel-Check, dachte ich. Und die Drogen. Zumindest das habe ich nicht vermasselt. Noch nicht.
Falls sie nach der ganzen Zeit noch wirken, heißt das. Vielleicht verliert sich der Zauber, wenn du sie aus dem Spielzeugland mitnimmst …
Schluss. Klappe. Hör einfach …
Aber warte mal, selbst wenn alles funktioniert, wie wahrscheinlich ist es denn, dass dein verdorbenes kleines Hirn noch funktioniert? Nicht so besonders, oder? Sie werden es vermasseln, und du wirst verfaulen. Ich war mir nicht mal sicher, ob ich genügend Gel hergestellt hatte, und die Magnetsteine, die ich besaß, wirkten ziemlich schwach. Vielleicht hatte ich nicht genug Salz. Vielleicht war es da unten zu feucht, und die Sandsäcke nutzten nichts …
SCHÄRFER !, brüllte ich den Filmvorführer hinter meinem Auge an. Denk nicht mal darüber nach.
Das wirklich Dämlichste daran ist, dachte ich, dass ich mich hier nicht einmal mehr fehl am Platze fühle oder so etwas. Ich fühle mich zu Hause. Selbst wenn ich zum Planeten Trübsinn zurückkehre, werde ich mich dort wie im Exil vorkommen. Wahrscheinlich ist das Teil der Strafe. Man bekommt etwas immer erst dann, wenn man es nicht mehr haben will.
Ich schickte einen einzelnen Fackelträger voraus und ließ mich die steile Innentreppe hinuntertragen. Die Stufen waren noch schmutzig von der letzten Ausgrabung. Sechs Arbeiter blieben zurück, die hinter uns die Treppe verschütten sollten. Die Lüftungsrohre waren ebenfalls freigemacht worden, und der Gesang der Jaguar-Addierer, die draußen das Ritual vollzogen, drang durch die Leitungen herein und hallte von den Steinwänden wider. Es war wie ein Todesmarsch, nur dass die Melodie sich nicht wiederholte oder auflöste; es war eher eine anschwellende Fuge trauriger tonaler Erkundigungen, Fragen, von denen man überzeugt war, dass man sie vor langer Zeit gestellt hatte, aber nun legte sie einem jemand anderer vor, und man kannte keine einzige Antwort. Dreihundertsechzig Stufen stiegen wir von der Mul hinunter in die Höhlen des Jaguars. Die Träger hoben und senkten mich in dem Rhythmus, in dem herunterhängende Baumstämme gegen die Fassaden schlugen und der durch den Stein zu hören war. Die gesamte Mul fungierte als Trommel:
Duuuump,
Duuuump,
Duuuump …
(78)
Duuuump,
Duuuump …
FUMMP .
Die Erschütterung lief wellenartig durch den Stein. Dann kam der Schall und verstummte plötzlich wieder – eine echofreie Explosion wie eine Platzpatrone in einem Tonstudio. Dann kam ein migräneartiger Schmerz im Kopf über einer absoluten Stille, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Der Druck hatte mir die Trommelfelle zerfetzt.
Na und?, dachte ich. Die brauche ich nicht mehr. Endlich Ruhe, nach einem Leben voller Lärm. An diese Art Frieden konnte man sich gewöhnen.
Ich war bereits in dem gebärmutterförmigen Sarkophag. Ich saß aufrecht darin wie in einer Badewanne und muss ganz schön albern gewirkt haben. Im Raum waren nur drei weitere Personen: Hun Xoc, Alligator-Wurzel und mein Diener. Maske-von-Jaguar-Nacht und die anderen Arbeiter und Diener lagen unter den Steinen, mit denen der Zugang zur Kammer verschüttet worden war. Gut, dass ich nicht hören kann, wie sie schreien, dachte ich – falls sie noch schreien. Das hätte mich ziemlich belastet.
Hun Xoc stützte sich mit den schwieligen Ellbogenstümpfen auf den Rand des Sarkophags. Wir lächelten einander an. Ein Blutstropfen lief ihm aus dem Ohr, zog einen Streifen über die Wange, drohte sich abzulösen und auf mich zu fallen, was aber doch nicht geschah. Ich zeigte auf mein Ohr, und Hun Xoc nickte und machte eine »weg«-Gebärde. Ich schlug mit der rechten Hand auf seine linke Schulter, das Gegenstück zum erhobenen Daumen. Er hob seinen linken Ellbogenstumpf an seine rechte Schulter, die Geste der Ergebenheit. Noch immer nur zwei alte Kämpen.
Die innere Grabkammer war nicht geschmückt, aber die weißen Kalkwände waren mit Kohleskizzen für Reliefs bedeckt, die niemals gehauen würden. Der kleine quadratische Raum war kahl bis auf vier Haufen Magnetsteine, einer in jeder Ecke, und in der Mitte das Mahagonigerüst, das den eiförmigen Sarg mit seinen halbmeterdicken Granitwänden umgab. Der armlängendicke Deckel hing an Hanfseilen gut eine halbe Seillänge über mir; als Gegengewichte dienten zwei riesige bestickte Sandsäcke, die wie abgetrennte Hoden auf dem Boden
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