2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
lagen. Dazu kamen vier angeschwollene Flüssigkeitskörbe, die von der Decke hingen, je zwei auf beiden Seiten des Gerüsts; sie waren mit der dünnflüssigen Lösung gefüllt, die die Grundlage des Aminoplastikgels bildete. Sie bestand aus Salzen, meinem Ersatzkampferpulver und verschiedenen Betäubungsmitteln in einer Lösung aus Formaldehyd, Harnstoff und Methanol. Jeder Korb enthielt genug von dem Zeug, um den Sarkophag zum Überlaufen zu bringen. Der Rest war nur für Notfälle. Und das war es auch schon.
Okay, Schritt Zwo, dachte ich. Das ist leicht. Überstürze nichts.
Ich gab Alligator-Wurzel ein Zeichen. Er stach einen Knochendolch in die markierte Null auf den Flüssigkeitskörben. Eine entsetzlich stinkende gelbe Brühe schoss heraus, als wäre das Ding ein urinierendes Mastodon. Alligator-Wurzel ließ den Diener die Bambusrinne unter den Strom halten, damit das Zeug in den Sarkophag floss. Die Lösung fühlte sich kälter an als Wasser, wie Isopropylalkohol, und es spritzte mir zuerst ins Gesicht. Alligator-Wurzel wischte mich ab und reichte mir den Kleinen Becher. Darin waren Minz-Pulque mit ungefähr fünf Prozent Tollkirschentee und ein paar anderen Beruhigungsmitteln. Ich trank den Becher aus. Wenn ich das Zeug richtig dosiert hatte, würde ich einschlafen, ehe ich ertrank. Egal, was behauptet wird – Ersticken ist kein schöner Tod.
Alligator-Wurzel faltete den Sandsack zurecht, den ich als Kissen benutzte, damit ich den Kopf über der Flüssigkeit halten konnte.
Okay. Schritt Drei.
Ich griff nach unten und öffnete mit meinem kleinen Fingermesser meine rechte Oberschenkelvene. Der Formaldehyd brannte ein wenig in der Wunde, doch der Schmerz wurde rasch betäubt. DerGedanke dabei war, dass beim langsamen Verbluten Teile meines Körpergewebes die Lösung aufnahmen, um verlorene Flüssigkeit zu ersetzen. Damit wurde keineswegs der Körper lebensfähig gehalten – was das anging, stand ein Totalverlust bevor –, aber auf diese Weise ließ sich ein Zustand starker Unterkühlung herbeiführen. Ich warf einen letzten Blick auf die acht Krüge mit eingesalzenen Kröten und Skorpionen und Hundeschwänzen und dem anderen Zeug, das sich dort befand, wo sonst die Wegzehrung des Dahingeschiedenen gestanden hätte. Sie machten einen guten Eindruck. Ich brachte genügend kleine Drogentierchen mit, um eine ganze Gnuherde einzuschläfern.
Vier. Ich gab Alligator-Wurzel ein Zeichen. Hun Xoc grinste matt. Es bedeutete: »Leider kann ich nicht auch helfen.« Alligator-Wurzel hob einen versiegelten Krug von der Größe einer Kaffeekanne. Ich bekundete mein Einverständnis, und er brach den Hals ab und goss nahe bei meinem Fuß den Härter in den Sarg. Der Härter war zähflüssiger als die Grundlösung und erinnerte an Ahornsirup; als er in die Flüssigkeit rann, sank er in Klumpen zu Boden und bildete Schlieren, die wie Fäden meine Beine umwanden, sich ausbreiteten und in der Lösung verteilten. Im Grunde wurde ich in eine Art Epoxidharz eingeschlossen, das Metallsalze enthielt, die meine neuronale Struktur mehr oder weniger perfekt konservieren sollten – es wäre zwar nicht möglich, das Gehirn noch mal ans Laufen zu bringen, aber es wurde so weit erhalten, dass Marena es auslesen, die veränderten Verbindungen kartieren und auf das Gehirn von Jed 1 übertragen konnte, sodass er meine Erinnerungen erhielt.
Die Erinnerungen, dachte ich. Nicht das Bewusstsein. Du stirbst, Junge. Jed 1 bekommt die Erinnerungen, nicht du, du wirst …
Aufhören. Aufhören.
Schritt Fünf. Alligator-Wurzel reichte mir den Großen Becher.
Er enthielt verdünnten Härter. Wenn alles funktionierte, würde er sich in mir ausbreiten und mit der Lösung reagieren, sobald sie sich über Haut und Lunge auf und in meinen Körper ausbreitete. Auf der Oberfläche hatte sich ein Häutchen gebildet. Ich stach es auf und trank den Inhalt des Bechers in zwei großen Schlucken, ganz wie iches geübt hatte. Pfui Teufel! Das Zeug war mit honiggesüßtem Pulque verdünnt, aber es schmeckte trotzdem widerlich bitter. Grässlich! Jetzt nicht kotzen, dachte ich, bloß nicht kotzen, behalt’s drin. Nicht kotzen! ’Gator gab mir noch einen Becher Pulque und zwang ihn mir geradezu hinein, um den Glibber runterzuspülen. Ich besabberte ihm die Hand, aber er beruhigte mich und half mir, mich in den Sarg zurückzulehnen. Ich sank gegen die Sandkissen und kam ungefähr eine Armlänge unter dem Sargrand zur Ruhe. Ich würgte noch immer und
Weitere Kostenlose Bücher