2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
Sternenrassler-Kults – der Mann, den ihre Boten nicht hatten erreichen können –, in Smaragdgrün auf der Ozelot-Seite weile, auf der nördlichen Seitenplattform des Spielfeldes. Er habe darum gebeten, dass Koh und ihre Diener zu seiner Rechten standen. Obwohl die Sternenrassler hier keinen großen Einfluss besaßen, war er Kohs nächster Verwandter in der Stadt, und sie konnte sein Ersuchen nicht ablehnen, ohne dass es zum Kampf kam. Die Ozelots hatten ihn vereinnahmt. Koh musste mit Würde hinnehmen, bevormundet zu werden. Allein dass sie als Frau dem Hüftballspiel zusehen durfte, bedeutete schon eine außergewöhnliche Gnade.
Der Zug war so raffiniert, dass ich beinahe mit den Zähnen geknirscht hätte. Ich wusste, dass damit Kohs Gefangennahme eingeleitet werden sollte. Ein besonderer Aspekt des Pitzom, wie es hier im Tiefland gespielt wurde, war die Zuschauermitwirkung: Jede Person auf den beiden Hauptplattformen – die Harpyien standen über ihren Torpfosten im Süden, die Ozelots über ihren im Norden – durfte einen kurzen Stock führen wie einen Mini-Hurlingschläger, den man Kriegsbeil oder baat nannte, ein schönes Beispiel für ein onomatopoetisches Wort nahe am englischen Gegenstück. Wenn es dem Denken des 21. Jahrhunderts auch fremd war, Zuschauer durften sich ins Spiel einmischen. Sobald ein Ball den Damm zu diesen privilegierten Zuschauern hochsprang, beugten sie sich gefährlich weit vor, reckten ihre baatob’ und versuchten, den Ball vom Tor abzulenken oder, wenn er hoch genug hereinkam, ihn einem Mitglied der eigenen Mannschaft zuzuspielen. Der Ball war aber nur zu treffen, wenn er zu hocheinflog, und die Zuschauer beeinflussten das Ballspiel nur zu wenigen Gelegenheiten. Trotzdem konnten sie sich auf diese Weise in helle Aufregung hineinsteigern, ohne dass sie dem Spiel die entscheidende Wende zu geben vermochten.
Doch die ernste Seite daran war, dass jeder, der auf einer der Plattformen stand, offiziell als Teilnehmer des Hüftballspieles galt, ganz wie der Ahau im Zentrum, der durch seine Vertreter auf dem Feld spielte. Auf diese Weise zwangen die Ozelots Koh, aufseiten der Katzen »mitzuspielen«, auch wenn niemand in ihrer Gruppe den Ball je berührte.
Verdammt. Am Ende waren die Ozelots vielleicht gar nicht so dumm, wie wir geglaubt hatten. Ich fragte mich, wie weit sie mit ihren Vermutungen, in welchem Maße 2 JS am Ende Teotihuacáns beteiligt war, ins Schwarze trafen. Koh war so gut wie gefangen genommen.
Sag, du kannst nicht kommen, weil irgendeine Pflicht dich hier hält, schlug ich ihr vor.
Das ist keine gute Idee, entgegnete sie. Sie würden es als schwere Beleidigung auffassen und den Kampf sofort beginnen.
Sie hatte recht.
Aber die Ozelots werden dich schneller gefangen nehmen, als das Herz eines Kolibris schlägt.
Das wisse sie, sagte Koh und fügte hinzu, dass man sie vielleicht nicht sofort foltern würde. Wenn die Schlacht zu unseren Gunsten verliefe, könnten wir das Haus des Ozelots umstellen und sie auslösen.
Das stimmt, sagte ich. Aber wir wussten beide, dass wir nicht darauf zählen konnten. Es würde zu viele Pannen geben; so liefen die Dinge nun mal.
Ob sie noch das Blut des Erdsterns habe, fragte ich.
Sie bejahte.
Ich versuchte mich zu erinnern, was ich über die Anlage des Ozelot-Bezirks wusste. Wir waren nicht allzu weit vom allerheiligsten ch’en entfernt, cenote auf Spanisch, eine riesige, halb eingegrabene Zisterne. In diesem Fall war es die Hauptquelle für Trinkwasser für das Südufer von Ix und seit Urzeiten ein Eckstein der Ozelot-Macht, ein immersprudelnder Born von kalkarmem H 2 O wie Elischas Quelle in Jericho.
Vielleicht gelang es mir tatsächlich. Genügend Ablenkung gäbe es jedenfalls. Und unten auf dem Feld wären wir nicht von Ozelot-Wächtern umringt, im Unterschied zu Geblüten auf den Tribünen.
Hmm. Vielleicht kam ich wirklich dorthin. Bloß ans Westende des Feldes, auf den Zócalo des Popol na, den Hauptplatz der Stadt, durch eine »Frauentür« der Ozelot-Gebäude – das sollte meine Verfolger ein wenig bremsen –, dann aufs Dach und über einen Aquädukt direkt zum Haus der Großen Mutter. No threat, no sweat.
Ich renne zur Großen Zisterne, sobald sich die Möglichkeit bietet, sagte ich zu Koh. Vielleicht kann ich dir ein wenig Zeit erkaufen, wenn die Ozelots in der Schlacht die Oberhand bekommen.
Sie dachte lange darüber nach. Dann sagte sie, sie wolle versuchen, den Ahau Erdstern zu füttern. Damit meinte
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