2013 - Sternenvogels Geheimnis
den Pilotensitz schob, den bodenlangen, gefütterten Mantel aus und faltete ihn zusammen; das Kleidungsstück garantierte vier Tage Überleben unter widrigsten Umständen. Die Nacht versank nicht, wie Akellm gedankenlos erwartet hatte, in nebliger Finsternis über Schneeflächen, sondern war sternenklar und erfüllt von roten und blauen Polarlichtern. Für den langen Flug versorgte sich Akellm mit Camána und Erfrischungsgetränken in Thermopackungen. Die Maschine schwebte vom Gleiterparkplatz hoch, drehte die stumpfe Schnauze nach Osten, die Positionslichter begannen zu blinken, und Akellm stellte den Kurs ein.
Es war nicht notwendig, Höchstgeschwindigkeit zu fliegen; in drei Stunden würde er die Golkana-Lichtung umkreisen. Zeit genug, um aus dem Speicher des Fluggeräts ruhige Musik auszuwählen, die Beine auszustrecken und sich dem Autopiloten zu überlassen. Es war weder notwendig noch wünschenswert, mit Funksprüchen sein Kommen anzukündigen; Endra da Kimbarley, erfahren, klug und hoffentlich ungeduldig, wußte genau, daß er die Verabredung einhalten würde.
Sie waren fast gleich alt, Endra und er. Wahrscheinlich hatte auch sie über ihn Erkundigungen eingezogen. Sie würde nichts finden, was im persönlichen Bereich über Alltägliches hinausging.
Seine Freundinnen entsprachen haargenau dem Bild, das man sich von Begleiterinnen eines Champions machte, der zudem nicht dem Wahn aufsaß, ewig jung zu bleiben: Sie waren jung, gutaussehend, clever, aber nicht klug, spiegelten das Scheinwerferlicht, das sich auf ihn konzentrierte, und sonnten sich erfolgreich in seinem fragwürdigen Ruhm. Freund Rugai bezeichnete sie als „Sommerblumen, die den Herbst kaum und den Winter keinesfalls überlebten".
Endra schien anders zu sein. Unter anderen Umständen, zu einer anderen Zeit, auf einer anderen Welt ... Es war müßig, darüber nachzudenken. Es wäre auch eine Lüge, dachte Akellm, sich selbst vorzuspiegeln, er wäre unbeteiligt. Reginald Bulls Aufenthaltsort herauszufinden, das war subtile Jagd, für die er ausgebildet worden war. Und Endra war nicht sein Opfer, sondern eine der wenigen Frauen in seinem Leben, mit denen er - andernorts, zu anderer Zeit, unter veränderten Umständen - ein Leben lang glücklich hätte sein können. „Wenn du mit dem Leben davonkommst, da Premban", murmelte er und sah unter den Nebelschwaden einzelne Lichter auftauchen und verschwinden, flackernd wie seine Gedanken, „wirst du leiden. Wie ein räudiger terranischer Köter. Und Endra wird dich hassen, so weißglühend hassen, wie sie nicht einmal ihren grämlichen Gatten haßt."
Er lächelte schmerzlich; rund drei Jahrzehnte im Untergrund, zuerst als Agent der IPRASA, später als USO-Spezialist, hatten ihm Alpträume, Narben und eine nüchterne Sicht der Dinge des Lebens verschafft. Plötzlich bohrte sich ein Gedanke, den er während der vergangenen Tage erfolgreich verdrängt hatte, schmerzhaft in die Gegenwart: Was geschah mit ihm und jenen 220 Frauen und Männern oder nur mit den vierzig des getarnten USO-Stützpunkts, wenn seine Maske zertrümmert wurde? Bisher hatte er sich solche und ähnliche Fragen oft gestellt, aber diesmal war es ganz anders. Atlan, Perry Rhodan, eine Handvoll andere Männer und „Bully"; sie waren unsterbliche kosmische Ikonen von buchstäblich unbezifferbarem, unaussprechlichem Wert und einer Bedeutung, die kaum in Worten auszudrücken war ...
Die Flugzeit war um. Aus der fahlen Dunkelheit, mit dem Widerschein der Polarlichter auf schwarzgrünen Blättern von Krüppelpflanzen und waberndem Nebel, einigen Schneeschauern und Irrlichtern zwischen vereisten Torfstapeln und Permafrost-Steinmustern der Tundra, glomm ein weiter Kreis aufwärts gerichteter Scheinwerferstrahlen. Akellm zog den Fahrthebel nach hinten, der Gleiter wurde langsamer. Innerhalb der Kreisfläche, die sich frei von triefendgrauen Nebeln erstreckte, erkannte Akellm eine Ebene aus dunklem Sand. Die Körner mochten faustgroß sein; es zeichneten sich keine Spuren darin ab.
Er wählte im Funkgerät den Kanal, dann die Feineinteilung, schaltete das Mikrophon ein und sagte: „Identifizierbares Objekt mit erwartetem Inhalt erbittet Landeerlaubnis und einen Peilstrahl."
Endras Stimme, heiser vor Aufregung, ein wenig atemlos, antwortete: „Landeerlaubnis erteilt. Langsam. Folge den Leuchtzeichen."
„Danke", sagte Akellm. „Schränke den Beschuß auf das Unumgängliche ein, bitte."
Endras leises Lachen verhieß Wärme,
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