2024 - Intrigen in Mirkandol
herrschte endlose Leere. Es fiel ihm nichts Brauchbares ein.
Zornig starrte der Terraner zur Decke mit ihren heruntergedimmten Leuchtelementen empor.
Die Konsequenz aus den Ereignissen stand plötzlich klar und deutlich vor seinem geistigen Auge.
Jemand wie Bostich ließ sich nicht hinwegargumentieren. Man mußte ihn schon aus seinem Palast bomben.
Aber es war keine Lösung. Die Terraner durften sich nicht auf eine Stufe mit den Meistern der Insel und anderen Gewaltherrschern stellen.
Den Imperator konnten sie nur in die Knie zwingen, wenn alle galaktischen Völker an einem Strick zogen und Arkon politisch und wirtschaftlich isolierten. Nach der derzeitigen Lage würden sie dazu allerdings Jahrhunderte brauchen.
Tiff fiel das Atmen schwer. Die eigentlich geräumigen Zimmer kamen ihm jetzt eng und stickig vor.
Kurz vor dem Morgengrauen des 11. Juni verließ er die Botschaft. Er setzte sich über alle Sicherheitsvorkehrungen hinweg, die seine Person betrafen. Allein und nur mit einem Handstrahler und seinem Einsatzgürtel bewaffnet, nahm er den Weg durch die schmale Schlucht, die in den Außenbezirken des alten Mirkandol begann und zwischen den Neubaugebieten nordwärts in die Wüste hinausführte. Am Ende des Schlucht bog er rechts ab und verschwand zwischen den Dünen.
Knapp fünf Kilometer nordwestlich der aktuellen Bauabschnitte lag die Wanne, wie er das Felsmassiv bezeichnete. Wind und Regen vieler Jahrhunderte hatten das über die Dünen hinausragende Gestein abgetragen und eine Senke mit Hunderten von Ausbuchtungen und Kuhlen geschaffen.
Tiff kannte sie alle. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß niemand und nichts ihn beobachtete, kletterte er hinab. Hinter aufragenden Felspfeilern verborgen lag der Eingang zum Stollen.
Er traf ihn so an, wie er ihn vor vier Monaten verlassen hatte. Der Stollen reichte dreißig Meter in das Felsmassiv hinein und endete in einer unterirdischen Grotte. Tropfsteinheere und ein See mit eiskaltem Wasser wiesen darauf hin, daß dieses Areal zu einem System unterirdischer Wasserläufe gehörte, von denen die Arkoniden bisher keinen Gebrauch machten.
Tiff legte Handstrahler und Einsatzgürtel ab.
Dann setzte er sich am Ufer des Sees Talosh nieder und lehnte sich mit dem Rücken an einen Stalagmiten. Talosh. Der fünfte Schritt der Upanishad enthielt die Meditation über den Sinn des Lebens und damit auch des Dritten Weges. Er diente der Versenkung des Ich und bildete jedesmal den Ausgangspunkt für die Übung aller zehn Schritte, angefangen bei Charimchar bis hin zu Gom, der Vollendung.
Dreimal in einem Terra-Jahr unterzog sich Tiff für einen Tag und eine Nacht den Übungen. Sie halfen ihm, sein Inneres zu reinigen, seinen Körper vollendet zu beherrschen und seine Sinne zu schärfen.
In diesen vierundzwanzig Stunden war er allein mit sich selbst. Manchmal näherten sich Wüstentiere, die am See tranken. Sie mieden ihn. Selbst die Skorpione am Ufer unternahmen nichts, um ihn aus ihrem Revier zu vertreiben.
Tiff verlor sein Zeitgefühl. Er wußte nicht, ob es draußen hell oder dunkel war. Die Leichtigkeit seines Körpers nahm mit jeder Übung zu. Sein Ich entwickelte eine Sensibilität, zu der ein Mensch im Normalzustand nicht fähig war. Immer weiter öffnete sich das Universum seinem Bewußtsein.
Irgendwann, kurz vor dem Erreichen des Jadj, des siebten Schrittes, vernahm er aus weiter Ferne eine Stimme. Mühsam gelang es ihm, ihre Herkunft zu erkennen. „Upani, Upani", verstand er. Es war Daghieras Stimme!
Sie kannte die Wanne, nicht aber sein Refugium in der Grotte. Wenn sie ihn aufsuchte, war etwas vorgefallen. Düstere Ahnungen befielen den Terraner. „Upani", erklang erneut die Stimme, diesmal näher. Die Adjutantin mußte sich jetzt in der Wanne befinden.
Julian Tifflor drängte die Empfindungen in seinem Innern zur Seite. Mit einem letzten, intensiven Gedanken verabschiedete er sich. Vergiß nie, dich bei den Steinen zu bedanken, wenn du gehst!
Anschließend löste er sich innerlich von der Einsamkeit und Stille, die ihm Kraft zurückgegeben hatte. Es war wie das Auftauchen aus einem tiefen See.
Tiff richtete seine Sinne nach außen. Federnd sprang er auf und schaltete die kleine Lampe an seinem Gürtel ein. Er nahm Handstrahler und Einsatzgürtel an sich. Mit weiten Schritten eilte er hinauf zum Eingang und trat ins Freie. „Shad", vervollständigte er das Wort und winkte ihr. „Schnell herüber in die Deckung der Felsen."
Seine Assistentin duckte
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