2030 - Chimaerenblut
endlich einen Kleiderdiscounter.
Am Eingang schüttelte Leon sich noch einmal, strich sich die Haare aus dem Gesicht und ging hinein. Das helle Licht blendete und irritierte ihn. Er konnte es kaum glauben, er war seinem Gefängnis lebend entkommen und in der Zivilisation zurück. Wahllos griff er Jeans, Socken, ein weißes T-Shirt, einen braunen Pullover und eine dünne blaue Regenjacke mit Kapuze. Die Verkäuferin an der Kasse lächelte mitleidig und sagte etwas auf Russisch, das er nicht verstand.
Leon blickte auf seine Ärmel aus denen Wasser tropfte. Die Verkäuferin wiederholte ihre Worte und zeigte mit der Hand nach rechts neben den Eingang. Er sah Toilettenzeichen und verstand, was sie ihm sagen wollte. Dort konnte er die nasse Kleidung wechseln. Mit verzagtem Lächeln nickte er dankbar, während seine Zähne vor Kälte aufeinander schlugen.
Eine halbe Stunde später fühlte Leon, wie die Wärme in seinen Körper zurückkam. Er fand einen Laden, der NanoCs anbot und kaufte einen teuren, aber wasserfesten, Ohrstöpsel und ein Ladegerät. Wer weiß, vielleicht brauche ich das noch , dachte er und loggte sich in den Server, kopierte seine Adressenlisten und begann zu telefonieren. Josi? Stille! Simon? Nichts! Quentin? Ebenfalls nichts! Er begann wieder von vorne. Josi, geh endlich ran. Er blickte auf die Uhr und rechnete die Stunden zurück. In Chicago war es jetzt neun Uhr abends.
Verdammt, Josi wo bist du?
Gegen Morgen wusste er, was er zu tun hatte. Es gab jetzt nur noch einen Menschen, der Josi helfen konnte. Leon hatte ein flaues Gefühl im Magen. Warum nur? War es diese energische Aura, die Thomas Garden umgab? Hoffentlich ließ er ihn ausreden.
Bei Thomas Garden sprang nur der Anrufbeantworter an. Leon rief in der Redaktion an und ließ sich die Mobil-Nummer geben. Die Worte der Redaktionsassistentin gingen ihm durch den Kopf: Australien. Entführte Politiker. Rebellen . Was war da draußen passiert, während er eingesperrt gewesen war? Die Welt schien gerade unterzugehen.
Leon blickte auf die Uhr und rechnete eilig die Stunden dazu. In Australien war es jetzt Nachmittag… Dann wählte er im Voice-Modus und knetete seine Finger.
Garden war sofort in der Leitung. »Ja.« Seine Stimme klang viel leiser als er sie in Erinnerung hatte.
Leon schluckte. »Hier ist Leon Blanc. Herr Garden, was auch immer zwischen uns steht. Sie müssen mir zuhören. Josi ist in großer Gefahr.«
In der Leitung war es still. Er lauschte. »Herr Garden?«
Wieder klang die Stimme leise und gepresst. »Was wissen Sie? Meine Tochter gilt seit einer Woche in Dubai als vermisst. Die Polizei geht davon aus, dass sie ertrunken ist, aber…«
»…vielleicht nicht«, fiel er ihm ins Wort. »Es gibt vielleicht noch Hoffnung.«
»Was wissen Sie, Leon?«
»Als wir in die Fabrik eingebrochen sind, habe ich mich mit einem neuartigen Virus angesteckt. Ich habe inzwischen voll funktionsfähige Kiemen. Ich kann unter Wasser atmen. Wissen Sie, was das bedeutet? Vielleicht funktionieren inzwischen auch Josis Kiemen. Glauben Sie mir, Josi lebt.«
»Ich weiß.«
»Sie wissen es?«
»Ich habe eine Haaranalyse machen lassen. Das Ergebnis war nicht eindeutig. Sie hat sich jedoch die letzten Tage auf der Yacht der Hildens merkwürdig verhalten und sich eingeschlossen. Außerdem hat sie die Bewachungskameras manipuliert. Hat sie das bei Ihnen gelernt?«
»Nein, von mir weiß sie das nicht.«
»Aber Ihnen hat sie das neue Fisch-Virus zu verdanken.«
»Dann ist das inzwischen offiziell?«
» Jein . Zumindest hat die Polizei die Ermittlungen um den Brand bei Wilmershofen wieder aufgenommen. Auch ohne Beweise, sagt mir der gesunde Menschenverstand, dass die Vorwürfe von FlashAC stimmen.«
»Herr Garden, ich bin der lebende Beweis. Und Josi ist es möglicherweise auch.«
»Wir werden in den nächsten Jahren ständig mit neuen Viren zu tun haben. Die Büchse der Pandora ist geöffnet. Momentan drohen Rebellen mit einem neuen Mammal -Virus , dann ist für die Menschheit sowieso kollektiv Schluss.«
»Diejenigen, die das Fisch-Virus zu verantworten haben, haben mich entführt und an mir Menschenversuche gemacht. Sie haben mich gefoltert, um mein Kiemenwachstum zu beschleunigen. Marc und Olga…« Leon schluckte. Dann sprach er weiter. »Marc und Olga, mit denen wir eingebrochen sind, sind tot. Simon kann ich nicht erreichen. Josi ist verschwunden. Glauben Sie mir doch. Josi ist in Gefahr. Sie müssen Josi suchen. Ich komme hier nicht weg,
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