2030 - Chimaerenblut
neben sich sagen. »Hillary Hilden.«
Hillary Hilden präsentierte das routinierte Lächeln einer Schönheitskönigin. Sie schien mindestens zehn Jahre jünger als ihr Mann. »Nennen Sie mich Hillary! Josi! Bitte keine Förmlichkeiten, sonst gefriert mir schon am frühen Morgen der Kaffee in der Tasse«, sagte sie mit näselnder Stimme.
Josi wollte ihr die Hand reichen, aber Hillary Hilden deutete die Begrüßung lediglich an und zeigte auf die Zwillinge. »Das sind Kiki und Serafina.«
Als hätten die Zwillinge nur auf ihr Stichwort gewartet, nahm eines der Mädchen ein Glas Saft und schüttete es der anderen über den Jackenärmel. Die brüllte empört, und Hillary Hilden raunte eine Angestellte in schwarzem Kleid und weißer Schürze an. »Clara, bitte helfen Sie den beiden.«
»Herzlich willkommen«, grüßte Ethans Vater, der neben Josi getreten war, und drückte ihre Hand mit festem Griff. »Ich muss leider zu einem wichtigen Termin, wir unterhalten uns später.«
Er klang verbindlich, als handelte es sich um ein Vorstellungsgespräch. Josi fragte sich, worüber sie sich unterhalten sollten. Anstandsregeln? Ihre Pflichten als Au-pair? Das Wetter?
Die Tür ging auf und ein Schimpanse im weißen Kleidchen trug eine Karaffe mit Wasser herein. Ein dressierter Affe? Das konnte doch nicht wahr sein, dachte Josi.
»Judy, bitte gieß den Kindern Wasser ein«, näselte Hillary Hilden.
Judy nickte mit dem Gesichtsausdruck eines eifrigen Kindes.
Ungläubig beobachtete Josi, was der Schimpanse machte.
»Braves Mädchen«, raunte Ethan. »Ich muss weg, sonst komm ich zu spät zur Vorlesung. Viel Spaß mit den Zwergen.« Er zwinkerte, blickte kurz zu den Zwillingen und verließ mit Judy an der Hand den Speisesaal.
Josi nahm dies als Aufforderung, ihren Job zu beginnen. Sie ging um den Tisch herum, schob Serafina einen Stuhl weiter und setzte sich zwischen die Kinder. Wortlos reichte sie den Zwillingen Brot- und Obststückchen, ignorierte das Wasser, das Kiki auf dem Tisch ausgoss, und schob die Karaffe ein Stück zurück.
» Haaaaben . Will.«
»Du bist anscheinend nicht mehr durstig.«
» Dooooch , durstig«, protestierte das Kind.
»Willst du wieder aus der Flasche trinken wie ein Baby?« Kiki schüttelte den Kopf.
Hillary Hilden tippte eine Short-Message .
Was für eine Begrüßung, dachte Josi und hielt Kiki das Glas hin. »Überleg es dir, Kleines. Willst du trinken oder spielen?«
»Spielen«, schrie Kiki und sprang vom Stuhl.
Das Kindermädchen hechtete hinterher.
Die ruhigere Serafina machte große Augen und grapschte nach einem Stück Banane. Mit dem Obst in der Hand stakste sie ihrer Schwester nach.
Die Hilden-Hausherrin entschuldigte sich, sie habe einen Friseurtermin und am Nachmittag eine Benefiz-Veranstaltung für arme Chimären-Waisen. Sie sähen sich dann um acht Uhr zum Dinner. Mit ihrem trällernden NanoC in der Hand verließ sie den Raum.
So sieht also das Leben der Reichen aus, überlegte Josi. Jeder geht eiligst seiner Wege.
Den Rest des Tages blieb sie mit den Zwillingen, der Köchin und dem Zimmermädchen alleine. Die Nanny tauchte erst abends wieder auf, kurz bevor die Hausherrin aus der Stadt zurück war. Die Hilden-Mutter gab ihren Kindern einen flüchtigen Kuss, zog ihre Jacke aus und hielt sie Josi hin. Josi blieb der Mund offen stehen. Mechanisch nahm sie die Jacke entgegen und biss sich auf die Lippe. Der Duft von Prosecco, ein Potpourri aus Erdbeeren, Vanille und einer Spur Alkohol, haftete an dem Kleidungsstück wie Parfüm.
Ethan kam zur Tür herein, er begrüßte seine Mutter mit einem flüchtigen Kuss und strahlte Josi an.
»Honey, ich hoffe die Zwerge haben noch etwas von dir übrig gelassen«, flachste er. »Ich würde dich gerne nach dem Abendessen meinen Freunden vorstellen.«
Josi war müde und überhaupt nicht darauf erpicht, weiter in die snobistische Welt dieser Familie einzutauchen. Sie hatte nur eine schwarze Hose und ein weißes Top im Handgepäck dabei, und der Koffer war noch immer nicht angekommen.
Das ist sicher nicht schick genug für die feine Gesellschaft, dachte sie.
Hillary Hilden pflichtete Ethan strahlend bei, das sei eine wunderbare Idee. Die beiden blickten sie erwartungsvoll an, und Josi knickte ein. Sie wollte niemanden enttäuschen, nicht am ersten Tag.
»Hat Ihnen Ihr Stiefvater erzählt, woher wir uns kennen?«, wollte der Hausherr beim Dinner wissen.
Josi schob den Schinken beiseite und stocherte in der Melone. Wie konnte Anne
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