2030 - Chimaerenblut
seine Schweinsnase wegoperieren, muss er innerhalb von vier Wochen seine Passdaten ändern lassen.«
»Aber wenn sich jemand von Körbchengröße A auf Doppel-D aufpumpen lässt, steht das in keinem Ausweis! Findest du das fair? Und was ist, wenn einem später noch Krallen oder Reißzähne wachsen?«
»Das ist der springende Punkt. Manche Chimären nehmen gezielt Hormone, um die Tier-Gene zu verstärken. Um brutaler oder gefährlicher zu werden. Die Gesetzgeber wollen das erfassen, um die übrige Bevölkerung zu schützen.«
»Kapierst du denn gar nicht, worum es geht? Chimären werden damit pauschal verdächtigt. Selbst harmlose Haustier-Chimären mit Hunde- und Katzen-Genen. Was ist mit den Menschen, die mit Klappmessern und geladenen Waffen rumlaufen? Chimären werden als potenzielle Verbrecher abgestempelt, vorab registriert und ausgesondert. Der Mensch ist doch ein freies Individuum, er kann immer noch selbst entscheiden, ob er gut oder böse sein will. Tiger-Gene machen einen nicht zum Raubtier. Wenn sich jemand eine Knarre kauft und damit in der Gegend rumballert, dann krieg ich Angst!«
»Und wenn ein Massenmörder frei rumläuft und Frauen brutal ermordet? An der Route 95, ich glaub irgendwo bei Vegas, fand man zerstückelte Frauen. Die Gerichtsmediziner vermuten aufgrund der Bissabdrücke eine Bulldoggen-Chimäre.«
»Das dient doch nur als Vorwand. Ein Massenmörder wird nicht durch die Gene eines Tieres dazu, sondern aus anderen perversen Gründen. Er wird vielleicht körperlich stärker, aber er kann sich genauso gut auch anders bis an die Zähne bewaffnen.«
Ethan machte ein ernstes Gesicht. »Josi, warum streiten wir? Ich sehe ein noch viel größeres Problem auf uns zurollen. Anwälte, die sich mit Mördern rumschlagen müssen, die aufgrund ihrer Raubtier-Gene auf nicht schuldig plädieren. Weißt du, was das bedeutet?«
»Ja«, rief Josi zornig. »Unschuldige Chimären werden auf bloßen Verdacht weggesperrt. Ich sage dir, eure Gesetze sind Scheiße!«
»Sag nicht, eure Gesetze. Ich habe sie nicht gemacht. Ich werde mich später nur als Anwalt damit rumschlagen müssen.« Ethan stellte die Teller zusammen und erhob sich. »Wir kommen zu spät!«
Die Zahl der Menschen, die nach der Mittagspause zurück in den Hörsaal wollten, war auf das Doppelte angestiegen. Zusätzliche Kontrollen verursachten an allen Eingängen Warteschlangen. »Da kommen wir nicht mehr rein. Lass uns ein Café aufsuchen und die Liveübertragung von dort verfolgen.«
»Solange es nicht wieder diese schreckliche Summer-Lounge ist.«
Ethan hielt den Autoschlüssel hoch und klimperte damit.
Wieso lächelt der Kerl? Die Poolaktion war doch der totale Reinfall. »Wie wäre es zur Abwechslung mit einer coolen Chimären-Kneipe. Das würde doch passen. Da kriegst du als zukünftiger Anwalt gleich hautnah mit, was Chimären über die Gesetze denken.«
Ethan stöhnte. »Gib mir einen Tipp. Ich kenne nur die Mammals -Bar. Die steht in jedem Reiseführer drin und ist total von Touristen überlaufen.«
»Hast du keine Chimären-Freunde?«
»Du hast doch gestern erst festgestellt, dass ich keine Freunde habe.« Er verzog das Gesicht. »Woher soll ich Chimären kennen? In meinen Kreisen waren alle vor der Großen Influenza geimpft. Und die wenigen Chimären-Studenten, die wir an der Uni haben, sondern sich ab.«
Könnte auch umgekehrt sein, dachte Josi und blätterte die Chimären-Cafés in ihrem Computer durch. Sie einigten sich schließlich auf ein Caféhaus, das als besonders beliebt unter Journalisten und Schriftstellern galt.
Ethan hielt die Tür auf und ließ Josi vorgehen. Die Plätze im Erdgeschoss waren belegt. Die Gäste diskutierten lauthals, machten sich Notizen oder verfolgten die Diskussion auf den Übertragungswänden. Zwei Treppen führten nach oben zu einer halbrunden Empore mit Sesseln und kleinen Tischen. Hier war es leiser als unten. Da Josi Ethans Abneigung vor Menschenmassen nicht überstrapazieren wollte, wählte sie eine Ecke mit zwei Holzstühlen. Sie sah sich um. Die meisten Gäste schienen tatsächlich Journalisten zu sein, darunter auffällig viele Chimären, mehr Männer als Frauen, manche mit Anzug und Krawatte, andere leger gekleidet.
Ethan bestellte Latte Macchiato, Josi grünen Tee mit Zitrone und Salz. Sie blickte auf die Videowand mit der zugeschalteten Übertragung aus dem Hörsaal. Vieles, was Ethan bereits angedeutet hatte, wurde jetzt diskutiert. Nach einer Weile brachte der Kellner
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