2030 - Chimaerenblut
Kreditkartennummer ihres Vaters an.
Das Wartezimmer war überfüllt. Josi hockte sich auf den Boden und wartete Stunden, bis sie endlich an die Reihe kam.
Bitte lass die Schwimmhäute verschwinden , betete sie wieder und wieder.
Der Arzt notierte sich ihren Bericht und beruhigte sie: Winzige Schübe, so kurz nach der Pubertät, gäbe es immer mal. Ob ihr das niemand gesagt hätte? Ob sie schwanger sei? Josi verneinte. Er erklärte, es sei unwahrscheinlich als Chimäre schwanger zu werden, aber nicht ausgeschlossen, schließlich könnten ihre Eizellen noch in Ordnung sein. Sie wüsste ja wohl, dass sich die Mutationen im somatischen Gewebe auf einzelne Organe und Gliedmaßen beschränkten. Josi widersprach. Chimären galten normalerweise trotzdem als steril. Der Arzt bestätigte, dies sei überwiegend der Fall, läge aber an den Missbildungen der Eileiter und des Uterus und nicht an den Keimzellen. Er nahm ihr Blut für den Schwangerschaftstest ab und betonte, dass sie keine Kinder bekommen sollte. Das Risiko einer Missbildung sei zu groß. Außerdem würde eine Schwangerschaft einen erneuten Chimären-Schub bewirken, wegen der Wachstumshormone. Dann fragte er sie, ob sie zurzeit besonderen Stress habe, auch so etwas könne die Hormone durcheinander bringen. Eine halbe Stunde später bekam sie das Ergebnis: »Glückwunsch, nicht schwanger!«
Die Worte des Arztes waren an Josi vorbeigerauscht. Danach war sie ins Taxi gestiegen und zurückgefahren. Zu gerne wollte sie glauben, was er gesagt hatte, »alles in Ordnung«, doch jetzt humpelte sie unruhig im Zimmer auf und ab. Sie schaltete ihren NanoC ein. Immer noch keine Antwort von Kathi. Die letzte Nachricht von Dienstag lautete: »mache einen kurztripp J melde mich, wenn ich zurück bin, wir sehen uns spätestens freitagnacht , drück mir die daumen , vielleicht habe ich bald einen besseren job , alles liebe kathi «
Wenn es bei Josi weiterging, dann vielleicht auch bei anderen Chimären. In Josis Kopf wirbelten die Worte des Arztes durcheinander: Winzige Schübe … hormonelles Ungleichgewicht … Stress. Vielleicht war das den Regierungen längst bekannt. Vielleicht ging es bei allen Chimären langsam immer weiter. War das der Grund, warum sie mit ihren Chimären-Gesetzen plötzlich so Druck machten? Wollten sie die Gesetze erlassen, noch bevor in der Öffentlichkeit durchsickerte, dass es weiterging mit der Umwandlung zum Tier?
Josi setzte die Screens auf, schaltete den Computer an und suchte im SWeb nach weiteren Informationen. Es quoll über mit Gerüchten und Mutmaßungen, aber auch Prahlereien von Chimären, die gezielt Hormone nahmen. Schließlich gab sie den Begriff Fisch-Chimären ein. Vor ihren Augen öffnete sich eine 3-D-Projektion. Eine junge Frau wollte sich den Fischschwanz in drei Schritten zurückoperieren lassen. Gebannt verfolgte Josi den Film. Im ersten Schritt remodulierten Ärzte die Beine mit Hilfe künstlicher Knochen und Gelenke. Bei der zweiten Operation amputierten sie die Flossen, legten die Unterschenkelknochen frei und verbanden die Fußprothesen über ein faseroptisches Interface mit den Nervenenden. Beide Operationen gelangen.
Bei der dritten Operation wollten sie die Harnblase und den Darm an die alte Position verlegen. Der Arzt sprach auch davon, ihre eine neue Vagina zu formen. Die Frau war kaum älter als Josi. Glücklich lächelte sie vor der letzten Operation in die Kamera. Doch sie erwachte nicht wieder aus der Narkose, fiel ins Koma und starb kurz darauf.
Josi legte die Screens zur Seite und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie musste jetzt unbedingt mit jemandem reden. Kathi!
Sie ließ das Telefon läuten, bis es sich automatisch abschaltete. Verfluchter Mist, wo war Kathi?
Hatte sie sich mit diesem Modetypen getroffen? War sie in New York? Josi hatte vergessen, wie der Typ hieß. Sie brauchte ihre Freundin. Jetzt! Kathi war immer da, wenn es ihr schlecht ging. Wo war sie nur? Grübeln half nichts, Josi musste zu Kathis WG. Vielleicht hatte sie einen Hinweis in ihrem Zimmer zurückgelassen. Wenigstens den Namen dieses New Yorkers.
Josi riss die Tür auf und lief Ethan direkt in die Arme.
»Horchst du an meiner Tür?«, fauchte sie ihn an.
Er packte sie an den Schultern und schob sie ins Zimmer zurück. Kein höfliches Anklopfen, kein Honey wie geht es dir. Stattdessen schubste er sie aufs Bett.
»Spinnst du?«
»Mach mal halblang«, zischte er und ging zum Erker. Ethan griff sich einen Stuhl
Weitere Kostenlose Bücher