2065 - Mission Hundertsonnenwelt
sich klein in dieser rein technischen Umgebung. Schließlich bat sie Tom, es für diesen Tag gut sein zu lassen und sie wieder ins Freie zu bringen.
Draußen atmete sie erst einmal auf. „Ich bin ziemlich verwirrt, Tom", sagte sie, als sie wieder im Gleiter saßen. „Du hast es bestimmt gut gemeint, aber ich bin keine Technikerin. Die Hauptsache ist, dass ich weiß, was hier vorgeht, nicht wie."
„Das ist bedauerlich", antwortete er. „Ich habe versagt." Sie schüttelte heftig den Kopf. „Nicht du, Tom. Es liegt an mir. Du hast dich vorbildlich verhalten."
„Gib mir noch eine Chance, Bré Tsinga. Lass uns morgen einen anderen Teil der Baustelle besuchen!"
Bré versprach sich zwar nicht viel davon, aber um Tom aufzumuntern, sagte sie zu. Wie sollte sie auch sonst ihre Zeit verbringen bis übermorgen?
Unerwartet erlebte sie noch eine Überraschung, als sie über die Kuppeln in Richtung terranische Siedlung flogen. Vielleicht um ihr doch noch etwas zu bieten, sagte Tom plötzlich: „Sieh dir die Plasmakuppeln an, Bré Tsinga! Fällt dir nichts auf?"
„Nein", gab sie zu. „Ich sehe sie bei diesem Besuch zum erstenmal."Andernfalls hätte sie vielleicht Vergleichsmöglichkeiten gehabt. So aber erblickte sie nur die großen Kuppeln im Licht der ewig brennenden Kunstsonnen. „Die achtzig Plasmakuppeln sind von einem gigantischen, dennoch haarfein gesponnenen PsIso-Netz überzogen", berichtete Tom, und Bré ahnte, dass in diesem Augenblick das Zentralplasma aus ihm sprach. „Die Posbis haben sich auf diese Weise dem potentiellen Zugriff SEELENQUELLS wirksam entzogen."
Die Kosmopsychologin war mehr als beeindruckt. Vor Überraschung brachte sie eine halbe Minute lang keinen Ton heraus. Ihre Gedanken jagten einander. Die Plasmakuppeln durch ein PsIso-Netz geschützt. Das belegte endgültig, dass das Zentralplasma schon seit geraumer Zeit von der Existenz SEELENQUELLS wusste und die. Bedrohung kannte; dass es diese Bedrohung auch für die Hundertsonnenwelt als gegeben ansah. Es sicherte sich also nicht nur gegen einen Angriff mit KorraVir ab, sondern auch gegen die negative Superintelligenz. „Das ist allerdings beeindruckend", brachte Bré endlich hervor, als in der Ferne bereits die Türme der terranischen Niederlassung auftauchten. „Woher hattet ihr die Rohstoffe für das Netz?"
„Wir haben uns selbständig auf dem galaktischen Markt versorgt und nach terranischen Bauplänen das Material hergestellt."
„Und weshalb habt ihr nicht daran gedacht, einen K-Damm zu erstellen?" fiel Bré Tsinga ein. „Die Erstellung eines K-Damms erschien uns nicht als sicher genug, obwohl Terra die Erkenntnisse darüber garantiert zur Verfügung gestellt hätte", lautete die Antwort. „Das klingt nachvollziehbar", sagte die Terranerin. „Wo landen wir?" fragte Tom unvermittelt. Sie wies ihm den Weg in das Parkdeck der terranischen Botschaft. Tom landete den Gleiter. „Du bleibst bitte hier und wartest, bis ich morgen früh ...", sie korrigierte sich, „...in zehn Stunden wieder hierher zurückkehre. Dann fliegen wir meinetwegen wieder zur Baustelle. Ist das in Ordnung?"
„Ich habe verstanden", sagte Tom. „Ich wünsche dir eine gute Nacht", sagte Bré, nachdem sie ausgestiegen war. Dann lachte sie und winkte ab. „Tag oder Nacht, auf eurer Welt scheint immer die Sonne. Also bis in zehn Stunden - und dass du mir ausgeruht bist!"
„Was bedeutet das, ausgeruht?" fragte der Posbi. „Wach", rief ihm Bré Tsinga zu, schon im Gehen. „Funktionsfähig!"
„Ich bin zu hundert Prozent funktionsfähig", sagte Tom alias CO-15447. Aber das hörte Bré schon nicht mehr.
Bré und ihren Begleitern waren Räume in der Botschaft zugeteilt worden. Nach dem Abendessen bei Daniela May hatten sich die Wissenschaftler in ihre Quartiere zurückgezogen, bis auf Bré Tsinga und Kallo Mox. Diese beiden waren bis fast um „Mitternacht" mit der Botschafterin und Hamish O'Brian zusammengeblieben. Bré hatte ausführlich von ihrem Tag und natürlich von ihrer Unterhaltung mit dem Zentralplasma berichtet. Jetzt saßen die Kosmopsychologin und der Syntroniker in Brés kleiner Suite und begrüßten den neuen kalendarischen Morgen mit einem letzten Glas Sekt, bevor Kallo sich verabschieden und in die eigene Koje steigen würde. „Möchtest du, dass ich dich begleite?" fragte er und spielte damit auf die bevorstehende neuerliche Tour durch die Baustelle an. „Es ist lieb von dir, Kallo, aber nein, danke", antwortete sie. „Das muss ich
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