2106 - Der weiße Tod
um ein Dreißig-Planeten-System handelte.
„Hmmm", brummte Harun al Kharud und strich sich den Bart glatt. „Keine Ortungen bisher. Aber wer über Hyperfunk verfügt, kennt auch die interstellare Raumfahrt - sollte man meinen."
„Richtig", bestätigte Tess Qumisha. Die 38 Jahre alte Hyperphysikerin nahm den Blick nicht von den Holos und Schirmen. Sie fuhr sich mit einer Hand durch die fingerlangen, struppigen schwarzen Haare. Wie immer verlieh ihr die dunkle Umrandung des Augen-Makeups einen übernächtigt wirkenden, zugleich geheimnisvollen Ausdruck.
„Ich sagte: Keine Ortungen bisher!", stauchte al Kharud seine Mannschaft zusammen. „Das bedeutet in erster Linie, mich vom Gegenteil zu überzeugen!"
„Jawohl!", sagte Don Williams, der Funk- und Ortungschef, steif. „Aber bisher können wir das nicht. Ich schlage vor, dass wir tiefer in das System hineinfliegen. Dann sind die Chancen größer. Der Funkspruch kann nur von einer der Welten innerhalb der Biosphäre gekommen sein."
„Bei Hyperortung spielt die Entfernung kaum eine Rolle", sagte Tess. „Dennoch stimme ich Williams zu. In dem Hilferuf heißt es, dass die Auslöschung eines ganzen Volkes durch diese E'Valenter bevorstehe. Vielleicht ist er heimlich abgesetzt worden, und das Volk der Prinzessin befindet sich bereits am Boden, kann also keine Raumfahrt mehr betreiben."
„Ich erinnere daran", fügte Benjameen hinzu, „dass der Funkspruch in einer vollkommen unbekannten Sprache abgefasst wurde - und erst übersetzt werden musste. Das müssen zwar die aufgefangenen Sprüche im Anguela-Idiom ebenfalls werden, aber es handelte sich nicht um Anguela."
„Bravo, junger Mann", knurrte der Kommandant. „Und was schließt du daraus?"
„Dass es sich um ein Volk handelt oder handeln könnte, das noch nie Kontakt mit anderen Zivilisationen dieser Galaxis hatte", antwortete Tess für ihn.
„Ach so", spöttelte al Kharud. „Und deshalb haben sie Hyperfunkgeräte?"
„Das ist eine Frage, die wir lösen müssen", sagte Benjameen. „Und deshalb müssen wir tiefer in das System hinein. Ich würde sagen, zunächst bis auf die Bahn des fünfzehnten Planeten. Und dann sehen wir weiter."
Die LE-KR-44 beschleunigte und überwand in einer sehr kurzen Überlicht-Etappe die Bahnen von fünfzehn Planeten, ehe sie wieder in den Normalraum eintrat. Die Orter zeigten Eis-, Methan- und sonstige Überriesen an. Erst der fünfzehnte Planet war etwa von Erdgröße, aber nicht von ihm kamen die Fernortungen.
„Es ist Nummer dreizehn!", meldete Don Williams. „Wir messen auf ihm eine Zivilisation an. Wenn man mich fragt, eher einen Zivilisationsrest."
„Der dreizehnte Planet also", sagte al Kharud. „In zwei Minuten sind wir dort."
Die vorerst letzte Etappe brachte die JEFE CLAUDRIN bis dicht an ihr Ziel. Der dreizehnte Planet stand groß auf den Schirmen. Es war fast eine Welt wie die Erde. Auffällig an ihm war, dass er von einer Konstellation von drei Monden umkreist wurde, die sich mit ihren Schwerefeldern auf komplizierte Weise gegenseitig beeinflussten.
„Näher heran!", befahl Harun al Kharud. „Oder muss ich das selbst erledigen?"
„Nein, Chef", antwortete Thelmer Hicks, der Pilot. „Wir sind schon unterwegs. Außerdem bist du der Kommandant."
Benjameen und Tess blickten sich an. Beide hatten Mühe, ernst zu bleiben.
Al Kharud schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf. Er wollte auffahren, doch da kam Norman und legte sanft seinen Rüssel um seinen Hals. Sofort beruhigte sich al Kharud wieder und streichelte das Tier.
„Norman würde niemals Chef oder Sir sagen", konnte sich Tess nicht verkneifen.
„Nein", konterte der Kommandant. „Dazu ist er viel zu intelligent."
*
Die JEFE CLAUDRIN hatte sich dem dreizehnten Planeten bis auf eine halbe Million Kilometer genähert und ortete. Noch nichts. Erst bei weiterer Annäherung ergab sich, dass es sich bei dem so genannten Zivilisationsrest um nicht mehr als eine einzige Stadt handelte, im schmalen Streifen nördlich zwischen einem Äquatorialmeer und einem Gebirge gelegen.
Allerdings gab es da noch etwas. Am Rand des Gebirges nämlich wurde laut Ortungsergebnissen in geringem Umfang Bergbau betrieben. Von dort stammten auch die wenigen energetischen Impulse, die man als solche bezeichnen konnte.
Die LE-KR-44 schob sich weiter an den Planeten heran, sehr vorsichtig und mit allen Schutzvorkehrungen gegen Ortung; doch es schien keinerlei fortgeschrittene Ortertätigkeit zu
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