2106 - Der weiße Tod
Licht, aber niemand war da, der es zum Lesen brauchte. Es war gedämpft und ebenfalls nicht für menschliche Augen bestimmt.
Benjameen winkte Tess zu und nahm die nächsten Stufen. Sie kamen an einem offenen Fenster, vorbei und hörten die durchdringenden Schreie jagender Nachtvögel. Tess lehnte sich hinaus und sah hinter den Wolken einen der drei Monde erscheinen. Ihre Hände berührten die gezackten Blätter am Turm heraufrankender Pflanzen. Sie schrie leise auf, als sich ein Tentakel um ihre Finger legen wollte. Nur mit Mühe und einem Ruck konnte sie sich davon befreien.
Dann gingen sie weiter. Benjameen öffnete vorsichtig eine neue Tür. Die Individualorter reagierten stark.
„Diesmal dürften wir ihn haben, Ben", flüsterte Tess.
*
Liktus Boi war verzweifelt. Aber was hatte er erwarten können?
Er wusste nichts darüber, wie viele Raumschiffe zwischen den Sternen kreuzten. Er wusste nicht einmal, ob das Funkgerät tatsächlich dazu geeignet war, sie zu erreichen. Und doch hatte in ihm die Hoffnung gelebt.
Jetzt, die Nacht war bald vorbei, richtete er sich auf und ließ sich erschöpft in seinen Sessel fallen. Er starrte das Funkgerät an, so als wolle er es hypnotisieren. Dann rollte er den Rüssel aus und trank aus seinem schmalen Gefäß. Die Flüssigkeit stimulierte ihn. Das Atmen fiel ihm wieder leichter, und wohlige Wärme breitete sich über seinen Körper aus.
Was konnte er jetzt noch tun? Vor Anbruch des Morgens konnte er es nicht wagen, erneut zum Palast zu gehen. Er musste mit den Heilern reden, ebenso mit den Prinzessinnentöchtern.
Nur wenn sie alle gemeinsam auf Scharanay einredeten, erreichten sie vielleicht etwas.
Vielleicht konnten die Heiler ihr auch ein Mittel geben, das sie ihren schlimmsten Schmerz vergessen ließ.
Dennoch gab sich Liktus Boi keinen großen Hoffnungen hin. Der Gelehrte wusste, dass er jetzt noch ein oder zwei Stunden schlafen sollte, bis zur Dämmerung, aber er wusste ebenso, dass er das nicht konnte. Er sah das blinkende Funkgerät vor sich - und stand wieder auf.
Abermals hockte er sich vor dem Apparat hin und begann zu sprechen, immer denselben Spruch. Er musste es einfach weiter versuchen. Besser konnte er die Zeit bis zum neuen Tag nicht ausfüllen. Auch wenn die Hoffnung so unglaublich gering war...
Da plötzlich hörte er ein Geräusch. Es war nur leise, aber laut genug für seine empfindlichen Ohren. Liktus Boi drehte den Kopf - und erschrak fast zu Tode.
Die Tür zu seinem Studierzimmer war geöffnet worden. Sie schwang noch immer und kam erst am Stopper zum Stillstand.
Bar Tidous!, durchfuhr es Boi. Tidous hatte einige Freunde, die vor nichts zurückschreckten. Und Tidous hatte ihm gedroht. Er stand ihm im Weg...
Im nächsten Moment schrie er schrill auf. Vor ihm, mitten im Raum, schälten sich die Gestalten von zwei Wesen aus dem Nichts, wie er sie noch nie gesehen hatte. Sie ähnelten im Körperbau den E'Valentern, nur waren sie viel schlanker und besaßen andere Gesichter. Aber auch sie steckten in einer Art Rüstung mit Waffen am Gürtel.
Liktus Boi zweifelte an seinem Verstand. Was er da sah, war absolut unmöglich. Er federte mit knirschenden Gelenken hoch und wich vor den beiden Unheimlichen zurück. Für einen Moment wurde es ihm schwarz vor Augen. Doch als sich sein Blick wieder klärte, waren die beiden immer noch da.
Der größere der beiden Fremden hob eine Hand und sagte, laut und deutlich zu verstehen: „Du brauchst keine Angst zu haben, wenn du der treue Untertan bist, der uns gerufen hat. Und das musst du sein, oder befindet sich noch eine andere Person in diesem Turm?"
„Nein", krächzte Liktus Boi. „Aber ich verstehe nicht..."
„Wir erklären dir alles", sagte der Hochgewachsene. „Bitte beruhige dich. Wir haben deinen Hilferuf empfangen und sind gekommen, um zu helfen."
Liktus Boi fasste es nicht. Träumte er oder war dies die Wirklichkeit?
„Du kannst es ruhig glauben, Freund", sagte der andere, kleinere Fremde mit den schwarzen Haaren. „Wir sind hier, um deinem Volk, dem Volk der Prinzessin, zu helfen.
Aber dazu brauchen wir deine Unterstützung und vor allem Informationen."
Ja, es war wahr! Liktus Boi musste sich mit dem Gedanken vertraut machen, es mit Wesen aus dem Weltall zu tun zu haben, die auf wundersame Weise seinen Funkspruch aufgefangen und verstanden hatten.
Er trat vorsichtig einen Schritt auf sie zu und sagte: „Es tut mir Leid, dass ich euch keine bequemeren Sitze anbieten kann. Setzen
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