2163 - Die Media-Ritter
Baumriesen mit meterdicken Stämmen ragten bis zu hundert Meter hoch in den Himmel, verfügten jedoch nur über sehr kurze und nicht sehr stark belaubte Äste. In der Folge konnte das Sonnenlicht bis zum Boden vordringen, wo sich eine Buschlandschaft ausgebreitet hatte, deren einheitliches Bild an nur wenigen Stellen von grasbedeckten Lichtungen unterbrochen wurde.
Aus ihnen erhoben sich die feuerroten Türme der Kramsä, fingerlanger Fluginsekten, die diese mit ihrem Sekret errichtet hatten. Dunkle Kriechechsen hielten sich zumeist in ihrer Nähe auf, wo sie den Kerbtieren auflauerten, um sie blitzschnell mit ihrer klebrigen Zunge zu fangen. Dabei lockten die Echsen ihre Beute mit dem Harz eines Baumes an, der weiter oben in den Bergen wuchs. Die Kramsä lebten von diesem Harz, konnten es jedoch nicht aus eigener Kraft aus den Bäumen herausholen. Sie waren auf die Hilfe anderer Tiere angewiesen. An den Seiten der Schlucht stiegen die in vielen Farben leuchtenden Felsen nahezu senkrecht auf, während sie im Südwesten der Stadt sanfte Hänge bildeten. Das Land war rau und wild. Es war voller Geheimnisse. In den Sagen und Mythen des Volkes hieß es, dass es die Heimat der Geister sei und diese sich vor allem in den Nebeln zeigten.
Woj wollte nichts als sich ablenken. Sie wollte Abstand gewinnen, um in ihrer Enttäuschung keinen weiteren Fehler zu begehen. Im Extremfall konnte sie ein Fehler in der augenblicklichen Situation sogar das Leben kosten, denn Mutter war mächtig. War sie erst einmal erzürnt, konnte sie jede Hoffnung fahren lassen. Woj schwor sich, in Zukunft vorsichtig zu sein und sich unauffällig zu verhalten. Dieser Vorsatz hielt nicht lange. Als sie auf einen Felsen kletterte, um über die Büsche hinweg auf das Land hinaussehen zu können, begann es. Am Himmel rumorte es wie bei einem heraufziehenden, schweren Gewitter.
Der Himmel aber war wolkenlos grün. Nirgendwo gab es Anzeichen für ein Gewitter. Das Rumoren und Donnern aber wurde immer lauter.
Plötzlich entdeckte Woj einen leuchtenden Punkt hoch oben am Himmel. Er zog von Nordosten heran und wurde rasch größer. Sie schaltete ihre Kameras ein. Mit Hilfe eines integrierten Kommunikators nahm sie Verbindung zum Sender des Media-Clans auf. Keinen einzigen Gedanken verschwendete sie an Mutter. „Woj, Östliche Tangente 4367!", rief sie aufgeregt. Vergessen war die Enttäuschung über die vergeblichen Anstrengungen des vergangenen Tages.
Jetzt hatte sie Bilder anzubieten - geheimnisvoll und bedrohlich. Dass sie eine lange Wanderung aufs offene Land hinaus unternommen hatte, um mit sich selbst wieder ins Reine zu kommen, erwies sich nun als äußerst glückliche Entscheidung. „Hier geschieht etwas, das ich mir nicht erklären kann", fügte sie hinzu. „Das höre ich heute nun schon zum vierundvierzigsten Mal", antwortete die junge Frau, die in der Zentrale des Senders arbeitete. Ihre Stimme klang gelangweilt. Ständig versuchten ihr Filmer „einmalige Bilder" zu verkaufen. Das Licht war sehr viel größer geworden. Donner erfüllte die ganze Schlucht, hallte von den steil aufregenden Felswänden wider. Woj glaubte erkennen zu können, was über Kechta herabkam. „Wenn mich nicht alles täuscht, stürzt ein riesiges Raumschiff auf uns herunter!" Woj drückte einen Knopf an der Kamera und übermittelte die Aufnahmen an den Sender.
Sie vermochte sich kaum noch zu beherrschen. Seit Jahrtausenden wussten die Kechten, dass es intelligentes Leben auf anderen, allerdings sehr fernen Planeten gab. Die Geschichte überlieferte, dass vor fast 3000 Jahren drei Raumschiffe an der Stelle gelandet waren, an der man später die Stadt Echturda errichtet hatte. Danach waren nie wieder Raumschiffe am grünen Himmel erschienen. In den Bergen aber existierten Horchstationen, die mit ihren Geräten die Sterne absuchten. Sie hatten häufig Informationen aufgefangen, die zwischen Raumschiffen ausgetauscht worden waren. Die Große Mutter, die an der Spitze des Staates stand, hatte verboten, irgendwelche Nachrichten ins All hinauszufunken. Sie wollte keinen Kontakt mit anderen Völkern.
Nun aber näherte sich eindeutig ein Raumschiff. Woj hüpfte ungeduldig von einem Bein aufs andere. Als Ausdruck ihrer Nervosität und Ratlosigkeit fuhr sie sich mit beiden Händen am Pyramidenkopf auf und ab. Sie konnte sich vorstellen, wie es jetzt im Clan aussah. „Wir schalten um", teilte die Stimme mit. Sie klang nicht mehr gelangweilt, sondern ließ alle Anzeichen der
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