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219 - Kaiserdämmerung

219 - Kaiserdämmerung

Titel: 219 - Kaiserdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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Produktionsmeister auf.
    »Nur die Ruhe, Lococ! Wir wollen doch kein Aufsehen erregen.« Bei diesen Worten würdigte Zordan den Produktionsmeister keines Blickes: Seine ganze Aufmerksamkeit galt ihr, Aksela. Sanftmütig wie ein Lamm lächelte er sie an. Er trug eine Kappe mit bunten Stickereien und schlichte Kleidung. Wams und Hose ähnelten denen der Händler. Sein Gesicht war vernarbt und ein bitterer Zug lag um seinen Mund. Auf dreißig Winter schätze Aksela sein Alter. »Die Kinder der Nacht brauchen Ihre Hilfe!«, sagte er ruhig.
    Die Ärztin lachte ungläubig auf. »Warum sollte ich einer Gruppierung helfen, die seit Wochen Zerstörung und Angst über Wimereux bringt?«
    Zordan beugte sich über den Tisch zu ihr hinüber. »Weil Sie eine vernünftige Frau sind, Doktor Aksela. Wenigstens berichteten mir das Freunde, die hin und wieder mit Ihnen zu tun haben.«
    »Welche Freunde mögen das wohl sein?«, erwiderte sie spöttisch.
    Der junge Mann zögerte mit einer Antwort. Er warf Lococ an ihrer Seite einen abschätzenden Blick zu. Dann lehnte er sich zurück und begann Zucker in sein Glas zu häufen. »Es spielt keine Rolle, wer sie sind. Wir müssen mit Ihnen sprechen, Doktor Aksela. Und es muss bald sein!« Seine Stimme klang drängend. »Wir –« Zordan sprach nicht weiter, als zwei Uniformierte den Marktplatz betraten. Im Schlenderschritt näherten sie sich den Tischen der Sitzecke.
    Lococ rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. Seine Finger trommelten auf die Tischplatte. Abwechselnd blickte er von Zordan zu den Gardisten. Aksela konnte sich denken, was er vorhatte. »Warten Sie noch!«, forderte sie ihn auf. Dann wandte sie sich an Zordan. »Nennen Sie mir einen Grund, warum ich mir anhören sollte, was die Kinder der Nacht zu sagen haben?«
    »Wir haben nichts mit den Anschlägen in der Stadt zu tun! Verstehen Sie? Nichts!«
    Die Ärztin schaute ihn verdutzt an. »Wer, bei Ngaai, steckt dann hinter dem Ganzen?«
    Als die Gardisten nur noch wenige Schritte entfernt waren, erhob sich Zordan. Er wünschte einen schönen Tag und reichte ihr die Hand. Aksela zuckte mit keiner Wimper, als sie das kleine Papier spürte, das er ihr zugesteckt hatte. So unvermittelt Zordan aufgetaucht war, so unvermittelt verschwand er wieder.
    Gleichzeitig passierten die Uniformierten den Tisch. Aksela hatte Mühe, den Produktionsmeister davon abzuhalten, nach den Soldaten zu rufen. Als die außer Hörweite waren, beschwerte sich Lococ. »Sind Sie verrückt geworden? Wir können ihn doch nicht einfach laufen lassen! Sie glauben ihm doch nicht etwa?«
    »Wenn er die Wahrheit gesagt hat, will ich wissen, wer hinter den Anschlägen steckt! Sie nicht?«
    Lococ wand sich unter Akselas herausforderndem Blick. »Er lügt, und ich will mit seiner Bande nichts zu schaffen haben!« Entschlossen stand er auf.
    Die Ärztin hielt ihn am Ärmel fest. »Es ist mir ehrlich gesagt egal, mit wem sie etwas zu schaffen haben wollen oder mit wem nicht! Aber Sie werden niemandem ein Sterbenswörtchen über diese Zusammenkunft verraten! Versprechen Sie es mir bei Ihrer Ehre!«
    Lococ nickte widerwillig. »Bei meiner Ehre«, brummte er.
    ***
    Ende April 2524, Waldhütte im Nordwesten des Victoriasees
    Victorius saß auf seinem Lager in Members Hütte. Vor ihm stand der Rucksack, den der Alte ihm geschenkt hatte. Er war gepackt mit allem, was er für seine Reise nach Wimereux-à-l’Hauteur brauchte.
    Er wollte zum Palast des Kaisers, um ihn vor dem gefährlichen Daa’tan und seinem Echsenbegleiter zu warnen. Auch wenn die beiden vielleicht noch weit weg vom Victoriasee waren, traute er ihnen alles zu. Er hatte Graos Wandlungsfähigkeit und Daa’tans Pflanzenkräfte mit eigenen Augen gesehen. Und etwas in ihm mahnte, sich zu beeilen.
    Dennoch saß er immer noch hier! Der Abschied fiel ihm schwer. Victorius starrte auf seine neuen Mokassins: helles Ziegenleder, knöchelhoch. Member hatte sie für ihn angefertigt. Wie eine zweite Haut saßen sie an den Füßen. »Geht ein Mann neue Wege, braucht er die passenden Schuhe«, hatte der Alte gemeint.
    Der Prinz seufzte. Auch wenn der Weg, den er jetzt einschlug, neu war, so war es keiner, den er gerne ging. Aber die wiedererlangte Erinnerung hatte all seine Pläne geändert. Nur Bruchstücke der vergangenen Monate blieben verloren. Alles andere war da:
    Kurz nach seiner Abreise aus Ägypten war die PARIS über der Großen Wüste abgestürzt. Tückische Fallwinde und ein plötzlicher Sandsturm hatten dafür

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