220 - Die Reise nach Taraganda
schaltete sein Handy ein und wählte eine Nummer.
»Yep?«, fragte eine Stimme.
»Hallo, Matt«, sagte Ostwald. »Wie stehen die Aktien?«
»General Motors hab ich verkauft«, erwiderte Matthew Drax trocken. »Ich investiere jetzt in Telekom.«
Ostwald lachte vergnügt. »Ihr Yanks scheut wirklich kein Risiko, was?«
»So haben wir’s zu was gebracht. Man liebt und respektiert uns auf der ganzen Welt. – Wo steckst du, Omar?«
»Ja, das wüsste ich auch gern.«
»Was soll das heißen?« Ostwald hörte Commander Drax förmlich die Stirn runzeln. »Bist du etwa heute Morgen in Gesellschaft streunender Hunde aufgewacht?«
»Nee.« Ostwald schüttelte den Kopf. »Ich bin im Auftrag meines Klienten im tiefsten afrikanischen Urwald unterwegs. Ich bin an einem… Ort, den man auf keiner Landkarte findet. Ich würde aber gern wissen, wo er liegt, damit ich ihn wieder finde, wenn ich mit der Polente wieder hier aufkreuze.«
»Bist du noch an dem Fall dran, von dem du mir erzählt hast? Die Tochter dieses Musikproduzenten?«
»So ist es. Kannst du mir helfen, indem du mein Handy orten lässt?«
Er hörte Matthew Drax schlucken und betete: Lass den korrekten Commander nur einmal auf die Dienstvorschriften pfeifen.
»Omar…«
Ostwald wusste, was nun kam: Matthew Drax war zwar kein Paragraphenreiter, aber er saß auch nicht an einer Tastatur, in die er nur eine Zahl eingeben musste, damit die Sache bei der Air Force ihren Lauf nahm. Er musste jemanden bitten, für ihn tätig zu werden. Dazu brauchte er eine Erklärung…
»Das Mädchen ist tot, Matt«, sagte er, um seinem Freund die Entscheidung zu erleichtern. »Es ist an einer Überdosis Drogen krepiert. Der miese Freier, der die Kleine angefixt hat, hat sich aus dem Staub gemacht, während sie krepiert ist. Jetzt sitzt er auf der… Farm seines steinreichen Alten und lässt sich von einem Heidi-Klum-Klon Cocktails reichen.«
»Was?« Drax klang entsetzt.
»Ja, Melanie ist tot.« Ostwald presste die Lippen aufeinander. Er wusste, dass das Spiel, das er jetzt spielte, nicht ganz sauber war, aber er hatte das Gefühl, dass er an Matts Gefühle appellieren musste, um das zu erreichen, was er erreichen wollte. »Man hat sie ihrem Vater in einer Kiste zugestellt.« Und nun tat er etwas, das er noch nie getan hatte: Er nannte den Namen des Klienten, den in Deutschland jeder kannte, auch Matthew Drax.
»Mein Gott, wie furchtbar«, hörte er ihn sagen.
Plötzlich näherten sich Stimmen. Ostwald hockte sich neben eine dicke Topfpalme und riss den Schnürsenkel seines rechten Schuhs auf. »Hör zu, Matt; ich glaub, da ist jemand im Anmarsch.« Er wurde leiser. »Ich muss den Standort wechseln. Sag nichts mehr. Ich lasse das Ding eingeschaltet. Unternimm was. Peil mich an. Ich melde mich später. Dann gibst du mir die Koordinaten durch.«
»Monsieur?«, hörte er nicht weit entfernt jemanden sagen. »Kann ich Ihnen helfen?«
Ostwald wollte das Handy eigentlich in der Innentasche seines Jacketts verschwinden lassen, doch es mangelte ihm am nötigen Geschick, die Knöpfe zu drücken, die er drücken musste, um die Tastatur zu sperren. Deswegen rammte er das schmale Ding schnell hinter der Palme in den Topf und drehte sich um.
In der Tür stand ein schnauzbärtiger Lockenkopf in schwarzen Hosen und einem weinroten Affenjäckchen und beäugte ihn misstrauisch. Dass sich unter seiner linken Achsel etwas beulte, wunderte Ostwald nicht. Der Mann gehörte vermutlich zum Wachtpersonal Zandas und war einer von Rajids Vettern.
»Danke, nicht nötig.« Ostwald deutete lächelnd auf den offenen Schnürsenkel, band ihn zu und stand auf.
Der Mann im Affenjäckchen erwiderte sein Lächeln, doch es war so falsch wie das einer Python. Ostwald nahm sich vor, ihm nicht den Rücken zuzudrehen.
Der Wächter ging zum Festsaal voraus und bog vor dem Eingang ab. Ostwald atmete auf, ging hinein, suchte sich einen Platz und ließ sich bedienen. Das Essen war gut, wenn er auch nicht genau wusste, woraus es bestand. Die Gäste amüsierten sich. Nach dem Essen trank man Kaffee, tratschte, rauchte und lauschte den Musikern, die ein Repertoire abspulten, mit dem vermutlich schon die Großeltern der Anwesenden aufgewachsen waren. Ostwald fragte sich, wieso er noch nie von einer arabischen Rockband gehört hatte.
Es wurde getanzt und gesoffen – die besten Tropfen, die Rhein und Mosel aufzuweisen hatten. Nach dem Essen herrschte im Tempel der Unbekannten Götter die gleiche Atmosphäre wie in
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