222 - Angriff auf die Wolkenstadt
sagte Grao’sil’aana. Er spähte hinauf zu den Stabilisierungsballons.
Der Daa’mure hatte keine Erklärung dafür, warum Safrayus und Do schon zugeschlagen und das Ankertau gekappt hatten.
Vereinbart war, dass Grao und Mombassa als Zeichen für die Sprengung des Nordsockels eine Leuchtrakete über den nördlichen Rand der Wolkenstadt schießen sollten. Vermutlich war irgendetwas dazwischen gekommen.
Gleichgültig – nun musste der zweite Schritt folgen, bevor der Kaiser Gegenmaßnahmen einleiten konnte.
Stabilisierungspropeller und -ballons hier am Südrand würden die Wolkenstadt ansonsten schnell wieder in die Balance bringen. Genau das wollte Grao’sil’aana verhindern. Die uneinnehmbare Himmelsfestung, die großartige Kaiserresidenz – er wollte sie auf den Boden zwingen.
»Schlag dich zum nächsten Ballon durch«, sagte er zu Mombassa, »und spreng den Haltering!« Der Generalfeldmarschall nickte und robbte nach Westen.
Grao’sil’aana packte seine Faustfeuerwaffe und zielte zu dem Ballon an der Südostecke der Stadt hinauf…
***
Bis weit in den Nachmittag hinein hatten sie versucht, ihren Dampfwagen zu löschen. Erst als sie die Hälfte ihrer Wasservorräte aufgebraucht hatten, gaben sie auf. Der Wagen brannte aus. Von weitem beobachteten sie das rauchende Wrack. Viele fluchten und rauften sich die Haare. Einige heulten laut, und nicht nur die Frauen.
Noch nie war der räuberischen Nomadenhorde ein derart großes Unglück widerfahren. Neun ihrer Hordenmitglieder waren gestorben, seit sie diesem Weib über den Weg gelaufen waren. Fast die Hälfte ihres Hab und Guts hatten sie verloren; dazu ihren größten Reichtum: ihre beiden Zugwagen samt den darin installierten Dampfmaschinen.
Die meisten der Männer brannten darauf, Rache an dem verfluchten Weib zu nehmen. Sie wollten sie jagen, sie foltern und ihr schließlich die Haut abziehen, um sie geschunden der Wüstensonne auszusetzen und langsam sterben zu lassen.
Andere dagegen hielten das Weib für einen Dämon, den die Götter der Wüste selbst auf die Horde losgelassen hatten, um sie zu prüfen. Die Horde hatte die Prüfung nicht bestanden, so die Anhänger dieser Theorie. Man hätte den Dämon mit Wasser und Brot bewirten und weiterziehen lassen sollen, und alles wäre gut gewesen. Jetzt aber auch noch Rache an ihm nehmen zu wollen, würde den endgültigen Untergang der Horde herbeiführen; so jedenfalls die Anhänger der Dämonentheorie.
Sie hielten Rat, diskutierten, stritten sich und befragten schließlich die Götter. Doch auch die rituellen Lose, die sie warfen, ließen keine eindeutige Entscheidung zu.
Endlich meldete eine der Frauen sich zu Wort. »Habt ihr denn keine Augen im Schädel, ihr Schwachköpfe?«, fragte sie.
»Habt ihr nicht gesehen, mit welcher Gier das Weib unser Wasser gesoffen hat? Habt ihr denn je einen durstigen Dämon gesehen? Ich nicht! Und ich möchte auf der Stelle tot umfallen, wenn dieses verfluchte Weib ein Dämon war, oder wenn die Götter es geschickt haben.«
Viele Männer erschraken wegen dieser furchtlosen Rede.
Insgeheim warteten sie darauf, dass die Frau tot umfiel. Das tat sie aber nicht, und so machten sich schließlich die sieben mutigsten von ihnen auf den Weg, um das Weib zu suchen.
Sie folgten seiner halb verwehten Fährte. An manchen Stellen war die Spur über Hunderte Meter kaum noch zu erkennen. Die Männer aber suchten geduldig und sorgfältig, und so kam es, dass einer von ihnen gegen Abend auf der Kuppe einer Düne den Rucksack des verfluchten Weibes entdeckte. Er war leer.
Nach und nach stiegen sie alle zur Düne hinauf und sammelten sich um die Fundstelle. Hier oben blies der Wind besonders heftig. Ratlos blickten sie sich um. Nirgendwo fand sich noch eine Spur der Flüchtenden.
Sie wollten aufgeben, doch ihr Anführer bestand darauf, dass sie den Dünenkamm gründlich absuchten. Der Rucksack des Weibes lag ja hier oben, und nicht einmal die Andeutung einer Fährte führte wieder von der Düne hinunter.
»Vielleicht ist das verfluchte Weib doch ein Dämon«, gab einer der Männer zu bedenken. »Und vielleicht ist der Dämon von der Spitze der Düne direkt hinunter in die Hölle gefahren.«
Der Anführer schlug ihm ins Gesicht und nannte ihn einen Hohlkopf und einen Narren. Anschließend suchten sie Schritt für Schritt den langen Dünenkamm ab.
Irgendwann schrie einer der Männer auf, hielt sich den linken Fuß und tänzelte auf dem rechten im Sand herum. Sie liefen zu ihm
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