2229 - Zuflucht der Motana
Wahrheit nicht ertragen. Jeder von uns hoffte, dass ein anderer vortreten und sich die Hände schmutzig machen würde. Und wir alle hofften, dass es Selboo sein würde."
Zephyda blickte in die Runde und sah schuldbewusst gesenkte Gesichter. Venga war die Einzige, die ihren Blick erwiderte. Die Botin weinte haltlos. „Unser Flug nach Baikhal Cain, um Lotho Keraete zu bergen .'.. uns allen war klar, dass dort ein Kampf auf uns wartete. Der einzig richtige Weg wäre gewesen, uns vorher darauf zu einigen, wer die Paramag-Werfer bedient. Doch wir haben es nicht getan, haben uns darauf verlassen, dass in der Stunde der Not Selboo uns retten würde. Und das hat er getan. Wir alle verdanken ihm unser Leben."
„Was ... was willst du, das wir tun?", fragte eine Stimme aus dem Schatten. „Wir dürfen nicht mehr länger Selboo allein die Last der Verantwortung aufbürden, ihn ausschließen. Wir müssen ihn als das akzeptieren, was er ist, als einen von uns, der eine wichtige Aufgabe erfüllt - auf unser aller Wunsch."
Zögerlich zuerst, dann stärker werdend klang ein zustimmender Singsang auf. Er kam von der Gesamtheit der Versammelten. Nach einiger Zeit mündete er in den getragenen Choral, der das Ende eines Strafgerichts kennzeichnete.
Der Motana, der am nächsten zur Tür saß, stand auf, um sie zu öffnen. Es war Aichas Bruder Gorlin. „Gorlin, einen Moment noch!", rief Zephyda.
Der Motana verharrte verwirrt. „Was hast du? Selboo soll nicht länger in Ungewissheit im Gang warten.
Das Strafgericht ist vorüber."
„Das ist es", sagte Zephyda. „Der Choral an die Gerechtigkeit schließt die Gerichtsversammlung. Aber ich bin noch nicht fertig."
Aicha meldete sich zu Wort. „Aber die Tradition gebietet..." Sie brach ab, als sie Zephydas entschlossenen Blick wahrnahm. „Die Tradition", verkündete Zephyda, „hat ihre Berechtigung in den Umständen, in denen sie entstanden ist. Neue Zeiten verlangen neue Traditionen. Dieses Strafgericht wurde auf Selboos Wunsch einberufen, um sein persönliches Schicksal zu klären."
„Das ist getan!", kam ein Zwischenruf. „Ja. Aber das genügt nicht. Durch unseren Beschluss haben wir einen Selboo gewonnen, wir werden aber viele brauchen, um unsere Freiheit zu erkämpfen. Viele Todbringer."
Zephyda wählte bewusst den überlieferten Begriff. Sie musste ihn mit einer neuen Bedeutung versehen, wollte sie ihre Ziele erreichen. „Der Kampf gegen die Kybb-Cranar wird lange und hart werden. Wollen wir sie schlagen, müssen wir es mit ihren eigenen Waffen tun. Mit Technik. Selboo hat das von Anfang gespürt, deshalb seine Sehnsucht danach, Waffen in die Finger zu bekommen. Sein Instinkt hat ihm die richtige Richtung gewiesen, aber Selboo war nicht vorausschauend genug, um zu verstehen, dass das niemals genügen kann. Kein einzelner Motana kann die Kybb-Cranar besiegen, sei er noch so gut bewaffnet."
Gorlin stand immer noch vor der Tür, in der Bewegung erstarrt. Bleib stehen!, flehte Zephyda in Gedanken.
Mach sie nicht auf! Öffnete Gorlin die Tür, war ihre Chance verflogen, und alles blieb beim Alten. Doch das durfte Zephyda nicht zulassen.
Gorlins ausgestreckter Arm blieb unbewegt, als Zephyda weitersprach. „Wir brauchen nicht ein Geschütz, wir brauchen Hunderte, ja Tausende. Wir brauchen nicht einen Todbringer, sondern Tausende. Selboo ist derjenige, der sie uns geben kann. Er ist klug, ein flinker Kopf. Mit unserer Unterstützung wird er alle Geheimnisse der Paramag-Werfer ergründen - und sein Wissen an andere weitergeben."
Die Motana waren wie erstarrt. Das Mondlicht von Tos, das jetzt nahezu waagrecht in die Höhle strahlte, ließ die Versammelten wie steinerne Statuen erscheinen. Zephyda muteten sie wie Momentaufnahmen an.
Sie sprachen von nacktem Entsetzen. Überforderte sie ihre Gefährten? Eben erst hatte sie sie dazu gebracht, mit einem uralten Aberglauben zu brechen, jetzt verlangte sie von ihnen, dass sie die Gestalt ihrer Alpträume zum Leben erweckten, nicht einmal, sondern viele tausend Mal.
Das Entsetzen der Versammelten war aufrichtig, aber es hatte in Zephydas Sinne auch ein Gutes: Es hinderte sie am Nachdenken. Todbringer allein waren nutzlos. Ohne Bionische Kreuzer mit ihren Waffensystemen waren sie nicht gefährlicher als jede andere Motana. Mit Kreuzern würden sie die furchtbarsten Waffen des Sternenozeans darstellen, eine Flotte, die ihresgleichen suchte - und das Gefecht mit der gegnerischen Seite...
Zephyda schwindelte. Was tust du?, fragte
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