2243 - Die Mediale Schildwache
Unterton der Herablassung in der Stimme. Für Zephyda stellte der Gleiter ein Wunder dar: Er trug sie durch die Luft, ohne dass sie die Epha-Matrix hätte manipulieren müssen.
Ihr Geist war frei. Eine Erleichterung eigentlich, aber eine Last, seit sie dem Jungen Hekhet auf dem Landefeld begegnet war. Was er gesagt hatte, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf.
Sie fragte sich, ob Venga, die sie gleich nach der Begegnung angefunkt hatte, schon etwas herausgefunden hatte. Wahrscheinlich nicht, die Botin hätte sich sonst bereits gemeldet. Wieso ertönte kein Rufsignal aus dem verfluchten Funkgerät? Immer wenn sie nicht gestört werden wollte, gab es keine Ruhe. Und jetzt? „Sehen gar nicht aus wie Motana", sagte die Pilotin des Gleiters. Ein Datenvisier verdeckte die obere Hälfte ihres Gesichts, verhinderte Blickkontakt. Sie hing mit demonstrativer Nachlässigkeit im Sessel und steuerte den Gleiter mit einer Hand um den Joystick.
Es war eine Pose, die Zephyda bislang von Angehörigen ihres Volkes nicht gekannt hatte. Rhodan hatte ihr ein Wort genannt, mit dem die Terraner sie be' schrieben: cool.
Die Pilotin spuckte auf den einseitig transparenten Boden des Gleiters. Ihr Speichel hatte eine rötliche Färbung, ein Effekt der Kaublätter, die sie in den Quartieren der Kybb gefunden hatten. „Eher wie Tiere, wie Insekten. Oder wie Spielfiguren", fuhr die Pilotin fort. „Kein Wunder, dass die Kybb uns einfach so abgeknallt haben. Mussten nur das Knöpfchen drücken." Wie um ihre Worte zu untermalen, begann der Lauf des Bordgeschützes zu kreisen. „Bumm! Und weg..." Die Pilotin grinste. „Wir sind nicht hier, um die Flüchtlinge zu erschrecken", rügte Zephyda. Unter ihnen auf den Hügeln gerieten Motana in Panik, als sie den Gleiter mit dem kreisenden Geschütz bemerkten, suchten Deckung auf den Hügeln, auf denen es keine gab. „Bring mich hier weg!"
Die Pilotin zuckte die Achseln. „He, war doch nur ein Spaß ..."
Als sie Zephydas eisigen Blick bemerkte, gab sie Energie auf die Triebwerke, zog den Gleiter aus der Kurve und beschleunigte so stark, dass der Andruck Zephyda schmerzhaft in den Sessel drückte.
Früher hätte es das nicht gegeben. Andruckabsorber hätten die Beschleunigung neutralisiert. Aber das entsprechende Aggregat des Gleiters war ausgefallen. Aus Altersschwäche oder wegen der gestiegenen Hyperimpedanz, sie wussten es nicht.
Innerhalb von kurzer Zeit hatte der Gleiter sein Ziel erreicht. Es waren unbehagliche Minuten. Die Pilotin schwieg demonstrativ, kaute laut schmatzend als spürte sie, wie sehr es Zephyda gegen den Strich ging, dass sie sich eine Kybb-Sitte angewöhnt hatte - auf ihren Blättern herum und spuckte in unregelmäßigen Abständen auf den Boden. Immer in Richtung Zephydas und immer gerade so nahe an sie heran, dass die Piotm es als Zufall würde ausgeben können, spräche die Epha-Motana sie darauf an.
Dann erschien der Kegel des Heiligen Berges am Horizont, seine Spitze in einer Wolke gefangen. Es gab größere Berge als ihn auf Baikhal Cain, weit größere. Hinter ihrem Rücken, auf Fairan. Sie bedeckten beinahe die gesamte Nordhälfte des Kontinents. Baikhalis lag in ihren äußersten Ausläufern. Die Berge von Fairan ragten hoch in den Himmel. Ihre Gipfel glitzerten weiß an den wenigen klaren Tagen, aber meist waren sie hinter Wolken verborgen.
Die Berge von Fairan überragten den Heiligen Berg um ein Vielfaches - und doch, trotz ihrer Majestät, flößten sie Zephyda nur einen Bruchteil der Ehrfurcht ein.
Wieso?, fragte sich Zephyda, als der Gleiter zu einer weiträumigen Umrundung des Kegels ansetzte.
Was ist an diesem Berg, das ihn von allen anderen unterscheidet?
Waren es die Geschichten, die die Motana sich über ihn erzählten? Schon als Kind hatten sie Zephyda fasziniert und erschreckt zugleich. Die Erwachsenen erwähnten den Heiligen Berg niemals, wenn sie Kinder in Hörweite glaubten. Sie, die bei jeder Gelegenheit damit drohten, dass die Kybb ungezogene Kinder nachts im Schlaf holten, hatten den Heiligen Berg niemals als Druckmittel ihrer Erziehung benutzt.
Zephyda hatte den Erwachsenen heimlich gelauscht. Sie hatte wissen wollen, was es mit diesem Berg auf sich hatte. Sie hatte vom Tod und den Qualen erfahren, die die Motana in seinem Inneren erwarteten, davon, dass niemand, der ihn je betrat, wieder das Tageslicht sah.
Unsinn!, hatte sie damals geurteilt. Woher wollten die Erwachsenen das wissen, wenn angeblich niemand je zurückkehrte?
Das Rätsel
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