2244 - Bürgergarde Terrania
zwei Stunden war er mit Maggie und Schneider zusammen gewesen. Gemeinsam hatten sie die Nachrichtensendungen verfolgt. Über den materiellen Schaden waren bis zur Stunde nur widersprüchliche Angaben gemacht worden.
Die Zahl der Toten war zuletzt mit 28 angegeben worden, aber sie konnte sich weiter erhöhen. Von den über hundert Verletzten schwebten einige trotz intensivster Betreuung und allem, was die moderne Medizin zu bieten hatte, noch immer in Lebensgefahr. Dem gestrigen Freudentag für Terrania war die grausame Ernüchterung auf dem Fuße gefolgt.
Einerseits hätte Greuther seine Leute gerne bei sich gehabt, zum anderen aber war er froh, sie für einige Stunden nicht sehen zu müssen. Vor allem Schneider war kaum zu ertragen gewesen - nicht etwa, weil er seinem Zorn lautstark Luft gemacht hätte, sondern gerade wegen des Gegenteils. Bernie hüllte sich weiterhin in Schweigen, aber nun nicht mehr aus gekränkter Eitelkeit, sondern aus hilfloser Wut. Chip wusste, was hinter seiner Stirn vorging. Sein Schweigen war ein einziger Vorwurf: an den TLD, an die Gesetze und die, die sie machten, und auch an Greuther. Eben an alle, die nichts gegen die Verbrecher taten, die die Anhänger Gon-Orbhons in seinen Augen waren. Maggie hatte ebenfalls kaum etwas von sich gegeben, und wenn doch, dann fast immer nur ein einziges Wort: „Warum?" Bei ihr saß der Schock vielleicht noch tiefer als bei ihm und Schneider. Sie konnte einfach nicht verstehen, wie Menschen zu einer Tat imstande waren, deren Zeugen sie heute Morgen geworden waren. Es war nicht zum ersten Mal geschehen, aber zum ersten Mal war sie direkte Zeugin des Wahnsinns gewesen, unmittelbar dabei. Sie hatte Menschen sterben sehen - ermordet im Namen eines „Gottes", der für alles das stand, was sie ablehnte.
Noviel Residor schenkte Chip Greuther persönlich einen Becher Kaffee ein. Er wartete, bis sein Agent einen Schluck genommen hatte, dann kam er zur Sache. „Ich setze voraus", begann er, „dass du über den aktuellen Stand der Dinge im Zusammenhang mit dem Anschlag informiert bist, Chip. Die Zahl der Toten hat sich auf 31 erhöht. Viele der Verletzten konnten in den letzten Stunden aus den Medo-Centern entlassen werden. Ihnen wird psychologische Betreuung zuteil werden. Der materielle Schaden wird auf einige Millionen Galax geschätzt. Zum Glück wurden nicht so viele Mikro-Reaktoren zerstört, wie wir zunächst annehmen mussten. Dennoch war es der schwerste Schlag, den die gewaltbereiten Jünger Gon-Orbhons uns bisher versetzt haben." Er betonte das Wort „gewaltbereit".
Greuther sah ihn schweigend und mit versteinerter Miene an. Residor erwiderte den Blick. Dann stand er ruckartig auf und trat zu seinem Mitarbeiter hinüber. In Momenten wie diesen wurde Greuther wieder einmal klar, weshalb viele Menschen ein instinktives Unbehagen befiel, wenn sie mit Residor sprachen: Seine emotionslose Haltung war der Grund. Sie machte ihn ... unmenschlich, ohne dass er auch so aussah. „Glaube mir, Chip, ich weiß, was du denkst! Was ihr alle denkt! Das Attentat auf den Raumhafen wurde von einer Jüngerin Gon-Orbhons verübt, das hat inzwischen eine DNS-Analyse der Rückstände in den Trümmern des Terminals einwandfrei ergeben. Sie war sogar eine Adjunktin - einer der vierzehn Jünger des inneren Zirkels um Carlosch Imberlock. Und dennoch können wir nichts gegen diese so genannte Kirche tun! Imberlock hat sich offiziell und persönlich von der Tat distanziert. Er hat Sie verurteilt, im Namen Gon-Orbhons. Chip, wir können ihm nichts nachweisen! Die Sekte verstößt nicht gegen unsere Gesetze, sie ist eine religiöse Vereinigung und daher geschützt. Die Attentate sind das Werk von Einzelnen, die ohne den Auftrag der Kirche handeln!"
„Das behaupten sie", sagte Greuther.
Residor blieb kühl. „Selbst wenn eine Häufung entsprechender Vorkommnisse gegeben ist, genügt uns das nicht. Noch nicht. Wir können Imberlock keine Falschaussage und kein Verbrechen nachweisen! Glaubst du, wir hätten noch nicht alles versucht? Wir alle warten auf den Tag, an dem Imberlock einen Fehler begeht, aber der Kerl ist mit allen Wassern gewaschen. Er ist uns über, Chip!"
Greuther schwieg. Residor, die Hand halb erhoben, als wolle er sie Greuther auf die Schulter legen, seufzte kurz, viel zu akkurat, um tatsächlich von Herzen zu kommen, und ging mit festen Schritten zu seinem Platz zurück. „Chip, ich habe dich aus einem ganz bestimmten Grund zu mir bestellt. Du wirst ihn
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