225 - Kalis Kinder
nicht schlafen. Zwei tygergleiche Sätze brachten Karadan an ihre Seite. Die Pakstaani ächzte entsetzt, als sie merkte, dass es nicht Dahar war. Aber da war es bereits zu spät. Karadan drückte einen Lappen, der mit einem Betäubungsgift getränkt war, auf Punjas Mund. Die Pakstaani sackte zusammen.
Sie wickelten sie in einen Teppich und transportierten sie tief in den nächtlichen Dschungel. Karadan und einer ihrer Männer trugen nun Tygerlanzen, um vor Überraschungen solcher Art gefeit zu sein. Ihr zweiter Begleiter, ein Hüne von einem Mann, trug die Bewusstlose im Teppich auf der Schulter.
Irgendwo am Rande einer kleinen Lichtung banden sie die Unglückliche an einen Baum, nachdem sie ihr zuvor die Kleider vom Leib gerissen hatten. Karadan zog mit einem Messer einige tiefe Schnitte quer über Punjas Brust und Bauch.
Sie atmete tief ein, als sie das Blut roch.
Am nächsten Nachmittag war die Aufregung groß. Die Putzkolonne fand den toten Dahar. Der Mord und das Verschwinden Punjas sprachen sich wie ein Lauffeuer herum.
Verunsicherte Patienten und Bewohner sprachen bei Swamui vor. Der versprach, dass sein Sicherheitsdienst den Fall untersuchen und alles Menschenmögliche tun werde, um ihn aufzuklären. Dann zitierte er erneut Karadan zu sich.
»Was ist passiert?«, fragte er leise und gepresst. »Ich hatte dir doch befohlen, niemanden innerhalb der Buutyfaam zu töten.«
»Du hattest befohlen, Punja nicht hier zu töten«, erwiderte Karadan kalt. »Von diesem Dahar war mir nichts bekannt. Er hat uns überrascht und musste über die Klinge springen. Außerdem wusste er sicherlich von den Wunden.«
Swamui hatte den Eindruck, dass Karadan lediglich ihre Tötungslust rechtfertigen wollte, aber er lenkte ein, weil er sie brauchte. »Nun gut. Es musste schnell gehen, da kann durchaus etwas schief gehen. Für ähnliche Fälle in der Zukunft werden wir uns eine genaue Strategie zurecht legen.« Der Guhru hob den Kopf. »Ich bin allerdings kein Mörder, Karadan. Ich möchte nicht, dass du die Unglücklichen umbringst. Bring sie also in den Dschungel hinaus und sorge dafür, dass die Natur ihr Werk verrichtet.«
Karadan nickte.
Zwei Tage später verkündete Swamui, dass die schrecklichen Vorfälle nun aufgeklärt seien. Er präsentierte ein blutverschmiertes Messer, das am Waldrand gefunden worden sei und das als Knauf den Kopf der Göttin Kali zeigte. Der Mord und die Entführung, so Swamui, seien zweifelsfrei von den Anhängern der grausamen Göttin begangen worden, die irgendwo im Dschungel ihr Unwesen trieben. »Zuerst haben sie uns die Tyger auf den Hals gehetzt«, rief er vor versammelter Menge auf dem Verkündungsplatz, »nun versuchen sie sich ihre Menschenopfer aus unseren Reihen zu holen! Aber keine Angst, wir werden unsere Sicherheitsmaßnahmen verstärken und diese Monster jagen! Ihr werdet auch künftig sicher in der Buutyfaam sein!«
Nicht jeder glaubte diesen Worten. Aber da sich die Menschen die Buutyfaam in Kovlam als neue Heimat erwählt hatten, war es nicht so einfach, wieder von hier weg zu gehen.
Hier hatten sie ihren Hausstand, ihre Freunde, und so blieben schließlich alle, auch wenn die Angst im Paradies umging.
Aber die legte sich wieder, weil in den nächsten Monaten nichts weiter geschah.
Ärger gab es erst wieder ein gutes Jahr später. Thuga, eine besonders fleißige Schönheitsjüngerin, freute sich auf die Geburt ihres ersten Kindes. Sie wollte es nach dem Guhru nennen: Swamui, falls es ein Junge wurde, oder Swamla, wenn sie ein Mädchen gebar. Als das Kind aus ihrem Leib gezogen wurde, erlitt Thuga einen Schreikrampf, und auch ihre Geburtshilar hatte alle Mühe, die Missgeburt nicht fallen zu lassen. Sie hatte kaum etwas Menschliches an sich.
Niemand brachte den Vorfall mit der Schönheitssalbe in Verbindung – außer Swamui. So kam es, dass er Schwangerschaften auf der Buutyfaam verbot. Er begründete dies mit einem Wunsch des Gottes Wischnu, der ihm in seinen Träumen erschienen sei. Erst habe er die göttliche Weisung aus Rücksicht auf die jüngeren Frauen der Gemeinschaft ignoriert – aber jeder könne ja sehen, wohin das geführt habe.
Das akzeptierten die Bewohner, manche allerdings nur murrend. Die meisten Frauen waren ohnehin jenseits der Vierzig. Eine Jüngere, die kurz darauf trotzdem schwanger wurde, fiel in die Fänge der Kali-Jünger.
***
10. / 11. September 2524, Kovlam
Schon seit zwei Tagen trieb sich Kuduvasi in der Siedlung herum. Unter den vielen
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