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23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

Titel: 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ha-Joon Chang
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darauf gekommen sei, ich hingegen glaube die Antwort zu kennen. Die Quelle ist ein Disney-Zeichentrickfilm von 1977 mit dem Titel Bernard und Bianca – die Mäusepolizei .
    Bernard und Bianca handelt von einer Gruppe von Mäusen, die sich »Rettungshilfsvereinigung« nennt und als solche um die Welt zieht, um Tieren in Not beizustehen. In einer Szene findet ein internationaler Kongress der Gesellschaft statt, an dem Mäuse aus aller Herren Länder in ihren traditionellen Kostümen und mit ihren entsprechenden Dialekten (sofern sie zu Wort kommen) teilnehmen. Die französische Maus trägt eine Baskenmütze, die deutsche Maus ein dunkelblaues Kleid, die Maus aus der Türkei einen Fez. Dann gibt es noch eine bärtige Maus mit Pelzmütze, die Lettland darstellen soll, und eine weibliche Maus, die als Stellvertreterin von ganz Afrika auftritt.
    Vielleicht glaubte Disney nicht wirklich, Afrika sei ein Land, doch einem Land mit 2,2 Millionen Einwohnern wie Lettland und einem Kontinent mit über 900 Millionen Einwohnern und über 60 Staaten (die genaue Anzahl ist abhängig davon, ob man Gebilde wie Somaliland und die Westsahara als Staaten anerkennt) jeweils einen Delegierten zuzuordnen, sagt einiges über sein Afrikabild aus. Wie Disney sehen viele Menschen Afrika als amorphe Masse von Staaten, die alle unter heißem Wetter, Tropenkrankheiten, bitterer Armut, Bürgerkriegen und Korruption zu leiden haben.
    Man sollte sich zwar davor hüten, alle afrikanischen Staaten in einen Topf zu werfen, doch kann man kaum leugnen, dass die meisten davon sehr arm sind – insbesondere wenn man sein Augenmerk auf den südlich der Sahara gelegenen Teil richtet (das »schwarze« Afrika), den die meisten Menschen auch meinen, wenn sie von Afrika sprechen. Nach Angaben der Weltbank belief sich das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in diesem Teil des Kontinents im Jahr 2007 auf 952 Dollar. Damit liegt es ein wenig höher als die 880 Dollar von Südasien (Afghanistan, Bangladesch, Bhutan, Indien, die Malediven, Nepal, Pakistan und Sri Lanka), aber es ist niedriger als im gesamten Rest der Welt.
    Zudem glauben viele Menschen immer noch an die »Wachstumstragödie« Afrikas. Im Gegensatz zu Südasien, dessen Wachstumsraten seit den Achtzigern angezogen haben, scheint Afrika an einer »chronischen Wachstumsstörung« seiner Wirtschaft zu leiden. 1 Das Pro-Kopf-Einkommen in Schwarzafrika ist heute mehr oder weniger das gleiche wie 1980. Noch besorgniserregender ist die Tatsache, dass dieses ausbleibende Wachstum weniger in falschen politischen Entscheidungen begründet zu sein scheint (wie viele andere Entwicklungsländer haben schließlich auch die Staaten in dieser Region seit den Achtzigerjahren liberale Marktreformen durchgeführt), sondern in den Hemmnissen, die aus natürlichen und historischen Gegebenheiten entstehen und deshalb extrem schwer, wenn überhaupt, zu lösen sind.
    Die Liste angeblicher »struktureller« Handicaps, die Afrika an seiner Entwicklung hindern, ist beeindruckend:
    An erster Stelle stehen die von der Natur definierten Gegebenheiten – Klima, Geografie und natürliche Ressourcen. Durch die Nähe zum Äquator hat Schwarzafrika mit einer Vielzahl tropischer Krankheiten wie Malaria zu kämpfen, welche die Produktivität der Arbeitskräfte mindern und die Kosten für die Gesundheitsvorsorge in die Höhe treiben. Viele afrikanische Staaten ohne eigenen Meerzugang haben Schwierigkeiten, einen Platz innerhalb der Weltwirtschaft zu finden. Sie befinden sich in »schlechter Gesellschaft« – in dem Sinne, dass sie von anderen armen Ländern mit kleinen Märkten (und beschränkten Handelsmöglichkeiten) umgeben sind, in denen es regelmäßig zu bewaffneten Konflikten kommt (die häufig auf benachbarte Länder übergreifen). Zudem sind die reichen natürlichen Ressourcen vieler afrikanischer Länder angeblich ein »Fluch«. Es heißt, dieser Überfluss mache die Afrikaner faul – weil sie »unter einer Kokospalme liegen und darauf warten können, bis die Kokosnuss herabfällt«, wie eine beliebte Redensart diesen Gedanken formuliert (wenngleich diejenigen, die das sagen, es offensichtlich nie selbst ausprobiert haben; man riskiert, dass einem der Schädel zertrümmert wird). Ihr »unverdienter« Ressourcenreichtum verleitet die verwöhnten Afrikaner angeblich auch zu Korruption und gewaltsamen Konflikten. Die wirtschaftlichen Erfolgsgeschichten ressourcenarmer ostasiatischer Länder wie Japan oder Korea werden oft als

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