23 Uhr, York Avenue
Haus und geht immer mittags in die Umgebung einkaufen. In diese Wohnung bin ich ebenfalls 'reingekommen. Ich war da, als das Dienstmädchen ging. Stammt von den Westindischen Inseln, 'n leckeres Stück… sofern ich auf die Art hungrig wär'. Herrlicher Akzent. Dicke Titten. Lächelt wie 'n Blitzlicht. Mrs. James T. Sheldon ist 'ne vollendete Vogelscheuche: falsche Zähne, Pferdegebiß, Haut wie Sackleinwand. Sie muß das Geld haben. Und Mr. Sheldon vögelt das Dienstmädchen, 's kann gar nicht anders sein. Er ist Teilhaber in einem Maklerbüro. Leitet die Filiale in der Park Avenue. Knusprige Dinger gab's haufenweise zu sehen. Ich konnte 'nen flinken Blick in ein holzgetäfeltes Herrenzimmer werfen, die Wände voll von gläsernen Vitrinen. Dann hat Mrs. Sheldon die Tür zugemacht, 'ne Münzsammlung, glaub' ich. Würde hinpassen. Leicht 'rauszukriegen.
Anderson: Ja. Das Mädchen geht täglich mittags einkaufen, sagst du?
Haskins: Richtig. Wie 'n Uhrwerk. Ich hab's mir später vom Portier bestätigen lassen. Sie heißt Andronica.
Anderson: Andronica?
Haskins: Richtig. Steht auch im Bericht. Verrückt, was? Wohnung Vier B. Mrs. Martha Hathway - nicht Hathaway, sondern Hathway. 'ne zweiundneunzigjährige Witwe mit 'ner zweiundachtzigjährigen Haushälterin, die auch Gesellschafterin spielt. Irgendwie bekloppt, da oben. So'ne Art Eremitage.
Anderson: 'ne was?
Haskins: Eremitage. Wie eine Einsiedlerin. Geht nur selten aus dem Haus. Sieht den ganzen Tag lang fern. Niemand kommt zu Besuch. Die Haushälterin kauft telephonisch ein. Ryan, der Portier, sagte, der Mann von der Alten war' Politiker gewesen, 'n dicker Scheißer in der Tammany Hall {New Yorker Rathaus} so vor ungefähr tausend Jahren. Die Wohnung ist mit Zeug aus dem seinerzeitigen Stadthaus der Hathways in der Zweiundsechszigsten Straße Ost eingerichtet. Sie hat nach dem Tod ihres Mannes 'nen Haufen von dem Kram verkauft, die besten Dinger aber behalten. Es war 'ne große Auktion damals, also könntest du der Sache leicht auf den Grund gehen … oder ich mach's für dich.
Anderson: Was hat sie so alles? Was stellst du dir vor?
Haskins: Silber, Juwelen, Gemälde… das volle Programm. Ist zwar nur 'n Gefühl, das ich so hab', aber die Wohnung Vier B könnt' sich als Schatzkiste entpuppen, glaub' ich.
Anderson: Möglich.
Haskins: Oberstes Stockwerk - das fünfte. Beide Wohnungen haben kleine Terrassen. Wohnung Fünf A. Mr. und Mrs. Gerald Bingham mit ihrem fünfzehnjährigen Sohn Gerald junior. Der Junge fährt im Rollstuhl; er ist von den Hüften abwärts gelähmt. Er hat 'nen Privatlehrer, der täglich 'raufkommt. Bingham hat eine eigene Firma für Betriebsberatung; die Büros sind in der Madison Avenue. Er hat auch 'ne Limousine mit eigenem Chauffeur. Die Karosse ist in einer Garage in der Lex untergebracht. Er wird jeden Morgen zur Arbeit und jeden Abend nach Hause gefahren. Süß. Er wird in allen möglichen Verzeichnissen geführt, also wird's nicht schwer sein, ihm auf den Zahn zu fühlen. Seine Frau hat ebenfalls Moos. Über die Wohnung selbst hab' ich nichts Bestimmtes - nichts Gutes.
Anderson: Weiter.
Haskins: Die andere ist Fünf B. Ernest Longene und April Clifford. Sie sind verheiratet, sagen sie, verwenden aber ihre eigenen Namen. Er ist Theaterproduzent, und sie war eine berühmte Schauspielerin. Ist zehn Jahre lang nicht aufgetreten - aber sie kann sich noch erinnern. Gott, und wie sie sich erinnert! 'n Dienstmädchen, das auch dort schläft. So 'ne große, fette, farbige Hausperle. Das ist die dritte Wohnung, in die ich 'reingekommen bin. April war eben auf dem Weg zu 'nem stinkfeinen Diner im Plaza und trug ihre Tageslichtbrillanten. Sehr hübsch, alles. Paar gute, kleine Gemälde an den Wänden. Eine sehr hübsche Sammlung ungeschliffener Edelsteine in gläsernen Vitrinchen.
Anderson: Gibt's Geld dort?
Haskins: Im Augenblick hat Longene zwei Hits am Broadway laufen. Das kann nichts anderes bedeuten als loses Bargeld in der Wohnung, wahrscheinlich im Wandsafe. Nun, Liebling, das sind ja nur die Glanzlichter. Tut mir leid, daß ich nicht genauer sein konnte.
Anderson: Du hast dich besser gehalten, als ich gehofft hab'. Gib mir deinen Durchschlag von dem Bericht.
Haskins: Selbstverständlich. Ich versichere dir, daß kein weiterer Durchschlag gemacht wurde.
Anderson: Glaub' dir's. Ich zahl' dir den Rest von den fünf Lappen, wenn ich Snappers Bericht kriege.
Haskins: Keine Eile, keine Eile. Hast du irgendwelche Fragen? Oder gibt's
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