23 Uhr, York Avenue
verständigen, daß wir dieses Wochenende lang in seinem Appartement wohnen würden. Selbstverständlich waren wir entzückt und dankten dem großzügigen Eric aus ganzem Herzen. Am Samstag setzten wir uns schon frühmorgens in den Wagen und fuhren los, aber eins kam zum anderen, und es fügte sich, daß wir erst am späten Abend in New York eintrafen, um halb elf oder so. Der Verkehr war geradezu mörderisch. Also unternahmen wir nicht mehr viel, kauften uns nur die Zeitungen vom Sonntag und schlossen uns für die Nacht in der Wohnung ein. Der liebenswerte Eric hatte uns einen wohlgefüllten Kühlschrank hinterlassen (frischer Lachs in Aspik, darunter macht er's nun mal nicht), und natürlich hat er die beste Hausbar von ganz New York - oder, was das angeht, von irgendwo sonst. Manche von seinen süßen Tröpfchen und scharfen Sachen sind geradezu unglaublich. Also tranken John und ich ein paar Gläschen, weichten ein Weilchen in einer heißen Wanne (was sagen Sie zu meinen Stabreimen, Verehrtester?) und gingen anschließend zu Bett - ach, ich würde sagen, es war viertel nach zwölf oder halb eins, so um die Zeit jedenfalls. Wir waren wach, verstehen Sie, lagen nur so im Bett und tranken und lasen unsere Zeitungen. Es war ein sehr köstliches Erlebnis.
Es war so ungefähr - ach, viertel nach eins oder so, würde ich sagen, als wir dieses entsetzliche Hämmern an der Wohnungstür hörten, und eine Männerstimme schrie: »Feuer! Feuer! Alles 'raus! Das ganze Haus steht in Flammen!«
Also sprangen wir selbstverständlich mit einem Satz aus dem Bett. Wir hatten wohl Pyjamas mitgebracht, aber keiner von uns beiden war auf den Gedanken gekommen, Morgenmäntel einzupacken. Glücklicherweise aber hat der liebe Eric diese köstliche Sammlung von Schlafröcken, und so liehen wir uns zwei von seinen Gewändern (ich nahm mir dieses wunderhübsche Ding in karmesinroter Jacquardseide), warfen sie über, huschten ins Wohnzimmer, schlossen die Tür auf… und da standen diese zwei gräßlichen Männer mit Masken über den Köpfen vor uns. Der eine war ziemlich klein, der andere ziemlich groß. Der Große, bei dem ich mir absolut sicher bin, daß es einer von diesen widerlichen Negern war, sagte zu uns: »Los, raus mit euch. Ihr kommt jetzt schön brav mit, und keinem wird'n Härchen gekrümmt.«
Na, wir wären fast in Ohnmacht gefallen, wie Sie sich unschwer vorstellen können. John schrie: »Schlagt mich nicht ins Gesicht, schlagt mich nicht ins Gesicht!« John ist am Theater, müssen Sie wissen - wirklich ein überaus hübscher Junge. Aber die beiden taten uns nichts zuleide; sie faßten uns nicht einmal an. Sie hatten ihre Hände in den Taschen, und ich habe den Verdacht, daß sie wohl Waffen bei sich trugen. Sie brachten uns zur Dienstbotentreppe, die an der Rückseite des Gebäudes liegt, und dann zwei Stockwerke hinauf. Wir gingen in das Appartement 4B, wo schon etliche andere Leute versammelt waren, und alsbald entnahm ich dem Ganzen, daß jedermann im Haus, darunter auch der Portier, dorthin gebracht worden war. Ein Herr in den mittleren Jahren war verletzt und blutete sehr schlimm aus einem Auge. Seine Frau, das arme Ding, weinte bitterlich. Aber soviel ich sehen konnte, hatte ansonsten niemand körperlichen Schaden genommen. Sie sagten uns, wir sollten es uns gemütlich machen, worüber wir aber nur aus ganzem Herzen lachen konnten, befanden wir uns doch in der altmodischsten, verstaubtesten, muffigsten Wohnung, die ich je im Leben gesehen habe. John sagte, sie würde ein wunderschönes Bühnenbild für Arsen und Spitzenhäubchen abgegeben haben. Die maskierten Männer trugen uns auf, nicht zu schreien, keinen Lärm zu machen und keinen wie immer gearteten Widerstand zu versuchen, da sie doch lediglich die Wohnungen ausrauben wollten und keine Sehnsucht danach hätten, irgendwem weh tun zu müssen. Auf ihre Art waren sie sehr höflich, aber man mußte immerzu das Gefühl haben, wenn die Lust sie überkam, würden sie einem die Gurgel meterweit aufschlitzen, ohne auch nur mit einem Wimperchen zu zucken. Nach einer Weile verschwanden sie alle - bis auf diesen einen Mann, der ein Krauskopf war, da bin ich ganz sicher. Er blieb an der Tür stehen, eine Hand in der Tasche, und ich glaube, er war bewaffnet. Was weiter geschah, wissen Sie zweifellos viel besser, als ich es je erzählen könnte. Es war ein ausgesprochen niederschmetterndes Erlebnis, und all den vielen köstlichen Stunden zum Trotz, die ich in New York schon
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