23 Uhr, York Avenue
sind beachtlich, und Paul - das ist der Trainer dort - sagt öfters, er hätte noch keinen gesehen, der im Seilklettern so schnell gewesen wäre wie ich. Meine Arme und Schultern sind sehr muskulös. In dem Augenblick, da ich die Wohnungstür nach diesem dritten Besuch eines der Räuber ins Schloß fallen hörte, schlug ich die Bettdecke zurück und ließ mich langsam auf den Fußboden gleiten, was verständlicherweise so lautlos wie möglich vor sich gehen sollte. Ich wollte jeglichen schweren Plumps vermeiden, der den Argwohn der Diebe erregen konnte, falls diese sich zufällig in der Wohnung Vier A aufhielten, die genau unter der unseren liegt. Also senkte ich erst meinen Oberkörper auf den Boden, und dann, auf Schultern und Rücken liegend, hob ich meine Beine mit den Händen zu mir herunter. Und all die Zeit hindurch war ich am Zählen, müssen Sie wissen. Ich wollte alles während jener zehn Minuten, die ich mir genehmigt hatte, zu Ende führen und wieder im Bett liegen, ehe sie zum nächstenmal nachsehen kamen.
Ich bewegte mich, indem ich die Hände ausstreckte, meine Unterarme flach auf den Boden legte und meinen Körper mit der Kraft meiner Oberarm- und Schultermuskeln voranschleppte. Ich wiege fast achtzig Kilogramm, und ich kam nur langsam voran. Ich erinnere mich noch, wie ich versuchte, die einwirkenden physikalischen Koeffizienten abzuschätzen … eine Art Kräfteparallelogramm mit den auftretenden Winkeln der Hebelarme, den beteiligten Muskeln, der erforderlichen Energie, der Reibung des Teppichs - solche Dinge eben. Doch das ist nicht von Wichtigkeit. Binnen drei Minuten hatte ich meinen Schrank erreicht - den begehbaren Schrank an der Nordseite meines Zimmers, nicht den Kleiderschrank an der Südseite. Als mein Interesse an der Elektronik zu erwachen begann, hatte mein Vater sämtliche Haken, Kleiderbügel und Stangen aus dem begehbaren Schrank entfernen lassen. Er ließ einen Tischler kommen, der etliche Bretter und vor allem ein Pult einbaute; letzteres hatte genau die richtige Höhe für mich, wenn ich in meinem Rollstuhl saß. In diesen Schrank baute ich dann nach und nach alle meine elektronischen Geräte ein. Dazu gehören nicht nur mein Kurzwellensender und der einschlägige Empfänger, sondern auch eine aus mehreren Teilen bestehende Hi-Fi-Stereoanlage, deren Lautsprecher sich in meinem Zimmer, im Wohnzimmer und im Schlafzimmer meiner Eltern befinden. Ich hab' zwei getrennte Plattenteller, so daß meine Eltern sich die eine Langspielplatte anhören können, während ich für mich eine andere auflege; wir können uns auch zu gleicher Zeit zwei verschiedene Tonbänder anhören, wenn uns danach ist. Dies ist eine weise Einrichtung, da meine Eltern viel Spaß an den Melodien aus den Broadway-Musicals haben - sie besorgen sich stets die Aufnahmen der Erstinszenierung -, während ich am liebsten Beethoven und Bach höre, aber auch Gilbert und Sullivan. Es ist für Sie vielleicht nicht uninteressant, zu wissen, daß ich jedes einzelne Gerät in diesem Schrank aus Baukästen zum Selberbasteln zusammengesetzt hab'. Wenn ich Ihnen sage, wie viele Kontakte ich in meinem Leben schon gelötet hab', dann glauben Sie mir's gar nicht. Dabei waren allerdings nicht nur die Ersparnisse beträchtlich - verglichen damit, was die fertigen Geräte gekostet hätten -, sondern ich war im Verlauf meiner Arbeit auch in der Lage, gewisse Verbesserungen vorzunehmen, die zwar geringfügig waren, uns aber doch in den Genuß einer hervorragenden Stereowiedergabe von Tonbändern, Schallplatten und UKW-Rundfunk setzten. Auf dem Arbeitspult zur Linken der Schalttafel baue ich gegenwärtig ein Kassettenabspielgerät zusammen. Aber genug davon …
Ich langte hoch und öffnete die Tür meines Schranks. Das Arbeitspult jedoch und die Bedienungsknöpfe meines Kurzwellensenders schienen unerreichbar hoch. Glücklicherweise aber hatte der Tischler, der das Pult einbaute, robuste Arbeit geleistet, und ich konnte mich daran mit Hilfe meiner Finger, Handgelenke, Arme und Schultern hochziehen. Es war zwar etwas schmerzhaft, aber man konnte es aushalten. Ich sollte hier vielleicht erwähnen, daß meine Funkantenne sich auf dem Dach des Hauses nebenan befindet. Es ist ein achtzehnstöckiges Appartementhaus, das unser fünfstöckiges Gebäude bei weitem überragt. Mein Vater hat die Anbringung der Antenne bezahlt, und er entrichtet dafür auch eine monatliche Gebühr von zehn Dollar. Der Zuleitungsdraht läuft an der Flanke des hohen
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