2317 - Arkons Fall
stören
10.
Konsequenzen
10. Oktober 1344 NGZ
Dryhanentreue, dachte Kucurrt, während seine Schritte laut und hohl durch den Geheimgang tief im Inneren des Kristallpalasts hallten. Plötzlich kam ihm dieser Begriff, der Stolz seines Lebens, wie der reinste Hohn vor. Ich habe einen Befehl des Begam missachtet. Willentlich und in vollem Bewusstsein meines Tuns.
Er warf einen Blick auf das Holo, das zwei Schritte neben ihm schwebte und sein einziger Begleiter war. Die Lage auf dem Hügel der Weisen hatte sich nicht verändert. Der Dunkle Obelisk stand noch immer dort, reckte sich wie ein schrecklicher Fremdkörper in den Himmel, die Arme ausgebreitet, als wolle er jemanden rufen.
Was wohl auch der Fall war. Nach allem, was er wusste, handelte es sich dabei um Antennen, die ultrahochfrequente Peilimpulse ausstrahlten, die ein gewöhnliches Funkgerät nicht empfangen konnte.
Wen wollte der Obelisk hierher locken?
Wen wollte er über das informieren, was hier im Zentrum von Thantur-Lok, im Zentrum der Macht, geschehen war?
Was soll aus Arkon werden?, dachte er, und der Schmerz zog sein Herz zusammen. Bostich hatte den Befehl erteilt, sämtliches Personal aus dem Kristallpalast und vom Hügel der Weisen möglichst unauffällig abzuziehen. Doch das war nicht die Evakuierung gewesen, mit der Kucurrt schon seit geraumer Weile gerechnet hatte. Der Imperator hatte nur einen Austausch vollzogen. Er hatte Essoya und Zayna in den Palast geschickt, Nichtadlige, die nicht die geringste Ahnung vom Protokoll hatten, von den Abläufen, den Zeremonien. Zeremonien, die sein Leben waren.
Kucurrt wusste nicht, was genau Bostich beabsichtigte, doch in diesem Augenblick war ihm klar gewesen, dass der Imperator den Palast aufgegeben hatte.
Den Palast, den Hügel der Weisen, Arkon, die Drei Welten.
Wofür, hatte er da gedacht, braucht der Imperator mich noch? Welchen Sinn hat ein Zeremonienmeister, wenn keine Zeremonien mehr stattfinden? Er hatte sich fragen müssen, wem seine Treue wirklich galt - dem Imperator oder dem Amt? Er hatte an den Drachenflug denken müssen, an den Blick über das Hochplateau von Thek-Laktran. Meine Welt. Mein Leben.
Er blieb kurz stehen, schöpfte Atem. Er spürte eine schreckliche Last auf seinen Schultern, doch es war nicht die des Alters. Es war die der Verzweiflung, der Verlusts, der Hoffnungslosigkeit. Er hatte mit der Ankunft des Dunklen Obelisken nicht mehr und nicht weniger als seine Welt verloren.
Sein Leben.
Der Zeremonienmeister atmete tief durch. Die Luft brannte in seinen Lungen, als wäre er viel zu schnell für sein Alter gelaufen. Doch es lag nicht an der körperlichen Anstrengung, es war kein physisches, sondern ein psychisches Problem.
Arkon wieder in der Gewalt eines Feindes ... Nicht eines Gegners wie die Blues, die es nur auf Zerstörung abgesehen hatten, die dem Imperium den Todesstoß versetzen wollten, um sich ein für alle Mal einen Konkurrenten vom 20 Zentimeter langen, schlauchdünnen Hals zu schaffen, sondern eines Feindes, der nicht angreifbar war, gegen den es keine Verteidigung gab ...
Kucurrt fröstelte plötzlich. Mit einem Schlag wurde ihm klar, womit Arkon es wirklich zu tun bekommen hatte. Die Chaosmächte griffen nach dem Imperium.
Abgesandte übergeordneter Wesen, die, genau wie die Kosmokraten, eher den She'Huhan vergleichbar waren als normalen Sterblichen.
Das Chaos. Das Ende jeglicher Schöpfung, in der Wesen wie Arkoniden überleben konnten. Das Ende einer jeden geordneten Existenz.
Er ging weiter, langsam, schwerfällig, als hätte das Alter, das ihm bislang kaum zu schaffen gemacht hatte, ihn plötzlich eingeholt. Er ahnte, dass die Zukunft schrecklich werden würde. Und er begriff die Ausmaße des Fehlers, den er begangen hatte, als er den Befehl des Imperators ignoriert hatte.
Denn noch hatten sie es nur mit einem Feind zu tun. Die Zukunft sah düster aus, und niemand wusste, was sie bringen würden, aber noch war da nur der Dunkle Obelisk auf dem Hügel der Weisen. Noch war nicht alles verloren.
Vor fünf Tagen hatte er sich noch gewünscht, einfach loslassen zu können. Von seinem Quartier im Tabbos-Atrium zum Kristallpalast zu schauen oder auch von einem Drachengleiter hinabzublicken, den kristallinen Kelch ein letztes Mal zu sehen und glücklich zu sterben. Doch nun hatte er erkannt, dass sein eigentliches Leben nicht der Kristallpalast war, der Thronsaal, die Zeremonien, die er darin leitete. Der Kristallpalast, der Hügel der
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