2320 - Terra im Psi-Schauer
diesem Abend.
Es sind der falsche Ort und die falsche Zeit!, redete Marc London sich ein, aber er tat es eher, um sich ein Alibi zu geben, warum er den Mund hielt. Wenn du es jetzt nicht tust, wird es nie mehr klappen! „Fawn!", sagte er und nahm ihre Hände, die sich seltsam kalt anfühlten. Aber sie sind körperlich! „Begreifst du denn, was es bedeutet, dass ich mich die ganze Zeit wie ein Volltrottel benehme? Und dass ich dir Blumen schenken will?"
„Weißt du noch auf dem Campus ...", wich sie aus. Sie wusste es also nicht. „Vergiss den Campus. Ich bin in dich verliebt, Fawn. Es ist mir ernst damit." Übergangslos fühlte er sich, als seien etliche Zentner Gewicht von ihm abgefallen. Gleichzeitig ging mit Fawn ebenfalls eine Veränderung vor. Ihr Körper verlor die bisherige Anspannung. Sie lehnte sich gegen ihn, schloss für Minuten die Augen und schien einfach nur seine Nähe zu genießen. Sie verhielt sich, als gäbe es alle ihre Probleme nicht, keine Terminale Kolonne, keine Gefahr, keinen versagenden Kristallschirm, einfach nichts, was ihre Zweisamkeit stören konnte.
Marc fühlte sich auf einer warmen Woge, die ihn gemeinsam mit Fawn wegspülte.
Fawn Suzuke wandte sich ihm zu, sah ihn bis über den Kopf hinaus verliebt an, raufte sich dann ihr kurzes Blondhaar. „Es ist schön mit dir. Aber du vergisst, dass ich keinen richtigen Körper besitze.
Es ist eine halbfeste Projektion, mehr nicht. Wenn du wütend auf mich bist, kannst du mich einfach verschwinden lassen."
„Fawn, du tust mir weh!"
„Entschuldige bitte, ich meine es nicht böse. Aber du musst es einsehen, Marc. Ich bin ein Teil des Nukleus. Ich arbeite für ihn, es gibt mich einzig und allein aus dem Grund, weil der Nukleus mich braucht. Du darfst mich jetzt nicht länger stören, okay?"
Er wollte heftig nicken, denn er hätte ihr nie einen Wunsch abschlagen können.
Aber sein Nacken schmerzte plötzlich, als habe ihn jemand mit einer Keule dagegen geschlagen. „Fawn, ich ..."
Sie beugte ihm ihr Gesicht entgegen, hauchte ihm hastig einen Kuss auf die Wange und floh dann in die Wüste hinaus. „Fawn, so bleib doch...!"
Eine Weile sah er ihre Silhouette gegen den Sternenhimmel. Fawn Suzuke ging unruhig auf und ab, sprach mit sich selbst - oder vielleicht sogar mit dem Nukleus?
Marc London wusste es nicht. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn es eine unsichtbare Schnur zwischen dem Kollektiv der Monochrom-Mutanten und seiner Botin gegeben hätte.
Marc London lauschte in sich hinein. Seine Gefühle fuhren Achterbahn mit ihm. Er hätte weinen und schreien, gleichzeitig aber auch über seine eigene Naivität lachen oder mit sich schimpfen können. Natürlich konnte er Fawn nicht für ein ganzes Leben haben. Ihre Liebe würde immer unerfüllt und einseitig bleiben. Sie konnte ihn für sich allein haben, aber er würde Fawn mit 34.000 anderen teilen müssen.
Es war so grotesk, dass Marc sogar darüber lachen konnte.
Fawn kehrte zu ihm zurück. „Schön, dass du so fröhlich bist. Ich freue mich für dich."
„Es ist Galgenhumor."
Damit endete ihre Konversation an diesem Abend. Marc trat seinen ersten Patrouillengang an. Er führte ihn an den Dünenkämmen rund um den Gleiter entlang. Der Psi-Korresponder trug ein Nachtsichtgerät mit sich, durch das er die Umgebung musterte. Das winzige Hightech-Gerät nahm alles wahr, selbst den kurzen Schwanzschlag einer Wüsteneidechse, die sich trotz der merklichen Kühle für ein paar Augenblicke ins Freie wagte. Die leichten Erschütterungen seiner Schritte hatten sie angelockt.
Anschließend saßen Fawn und er schweigend Rücken an Rücken, starrten in die Nacht hinein, Marc mit seinen Gedanken beschäftigt, Fawn mit ... Ja, womit?
Als Mondra erwachte und wenig später aus dem Fahrzeug kletterte, erhob sich die Botin des Nukleus und verschwand nach drinnen. „Keine Vorkommnisse", sagte Marc erleichtert und gab Mondra das Glas. Jetzt, da die ganze Anspannung von ihm abfiel, fühlte er sich übergangslos hundemüde und hätte im Stehen einschlafen können. Mit lahmen Bewegungen stieg er in den - Gleiter, nahm sich den zweiten Schlafsack und verkroch sich zwischen den Sitzreihen.
Fawn lag schon. Im Licht der Kabinenbeleuchtung fiel ihm auf, dass ihre Kleidung noch so sauber und glatt war wie vor Tagen. Sie gehörte zur pseudomateriellen Projektion und verschmutzte nicht. Nicht einmal ein paar Sandkörner hatten sich in den Stoff verirrt. „Gute Nacht!", hörte er Fawn sagen. „Ich
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