233 - Enklave der Träumer
anderen Insassen wachrüttelte. Einige beschwerten sich, andere fielen ein und schrien mit, ehe sie wieder verstummten.
Es dauerte nicht lange und zwei Wachen tauchten oben am Gitter auf, durch das sie sonst altes Brot warfen und Wassereimer herunterließen.
»Was ist da unten los?«, hörte Herak eine Stimme. Er fuhr fort, den Namen Straitars zu brüllen und vor sich hin zu faseln, während Kiras durch das Auftauchen der Wachen ganz besonders in Fahrt kam.
»Er gab mir eine Botschaft!«, schrie er unter Krämpfen. Er schüttelte sich in wilder Agonie. Sein Körper krümmte sich. Es sah aus, als wolle er sich selbst das Rückgrat brechen. »Es ist eine Botschaft von Straitar! Er kommt! Der Schatten fällt! Die Vorbereitungen müssen getroffen werden!«
»Ruhe!«, schrie jemand von unten hoch.
Herak ließ sich nicht beirren. »Straitar… Er kommt!«
Er hörte von oben die Stimmen der Wächter. »Das ist doch nur ein Trick…«
»Und wenn nicht?«
Eine dunkle Stimme übertönte die anderen. »Wir werden sehen. Holt sie da raus und führt sie vor die Herrin. Dort werden sie geprüft. Sollten sie den großen Namen Straitars besudeln, werden sie eines grausamen Todes sterben.«
Herak schauderte, aber er war nicht so dumm, aus seiner Rolle zu fallen. Wie von Sinnen brüllte er den Namen des vermeintlichen Heilsbringers, bis zwei Wächter sich zu ihm abseilten, ihn fesselten und nach oben zogen. Ebenso verfuhren sie mit Kiras, dessen Körper noch immer wild zuckte.
Hoffentlich überstehen wir diese Prüfung… Herak betete stumm zu Piama, während er von den Wachen mitgenommen wurde.
***
An der Westküste Australiens
Matt saß auf einem viel zu harten, nachträglich festgeschraubten Sitz in dem abenteuerlich restaurierten U-Boot. Sie waren nun schon seit Stunden unterwegs. Hin und wieder verlangsamten sie die Fahrt – ein Manko des schwächelnden Trilithiumkristalls. Matt hatte schon beim Start den Atem angehalten.
Airin hatte kurz entschlossen Eelton, Daan und eine weitere Kriegerin mit langen blonden Locken mitgenommen. Ihr Name war Tara. Sie gehörte zu den Adors. Obwohl beide Stämme nun seit anderthalb Jahren zusammen lebten, gab es immer noch Ressentiments zwischen ihnen. Nach dem heftigen Krieg war das kein Wunder. Matt hatte ein wenig den Eindruck, dass Tara in erster Linie mit ihnen reiste, weil sie eine Ador war. Hätte Airin nur ihre Leute mitgenommen, hätte das vielleicht für Streit gesorgt.
Im Moment kümmerten ihn die Probleme der Adors und Perons wenig. Er wünschte sich nur, dass sie Nao bald fanden. Mit seiner dreisten Aktion brachte der Junge Matts Planung – und sich selbst – ernsthaft in Gefahr.
Doch sein Ärger wurde im wahrsten Sinne des Wortes überschattet. Immer wieder tauchten Schreckensbilder in seinen Gedanken auf. Matt versuchte sich auf die Unterwasserwelt zu konzentrieren, die im hellen Licht der Sonne farbenprächtig an ihnen vorüber zog. Das kristallklare Wasser gab die Sicht auf bunte Fischschwärme und grüne Pflanzen frei, die unter ihnen erblühten. Zwei gigantische Krebse trugen auf dem Grund des Meeres einen Kampf zwischen kleineren Felsblöcken aus. Sie kümmerten sich nicht weiter um das sonderbar zusammengezimmerte Gefährt, das an ihnen vorüber zog.
Doch Matthew schaffte es nicht, sich abzulenken. Seine Angst ließ ihm keine Ruhe. Sie hatte sich tief in sein Denken genistet wie ein Parasit.
Ich will nicht… Der Gedanke verursachte ihm Kopfschmerzen. Wieder sah er die Bilder der vergangenen Nacht vor sich. Den Pluto. Die Explosion in der Schwärze.
Aruula beobachtete ihn argwöhnisch. »Willst du mir nicht endlich sagen, was mit dir ist?«
Matt erwiderte ihren Blick. »Die Träume. Sie werden immer schlimmer… Jetzt verfolgen sie mich schon bei Tag…« Er lächelte gequält. »Aber das wird sicher gleich aufhören…« Er spürte den Schweiß auf seiner Haut.
Tara drehte sich zu ihnen um. Derzeit steuerte Airin zusammen mit Eelton das U-Boot, und die Kriegerin nutzte die Zeit, um einen Pfeil zu befiedern. Ihre Hände hielten im Tun inne.
»Es ist das Meer«, meinte sie mit rauchiger Stimme. »Unter Wasser rufen die Dämonen am stärksten…«
Matt runzelte die Stirn. »Wie meinst du das?«
»Die Dämonen rufen«, wiederholte Tara in gebrochenem Englisch. »Sie singen in den Wellen. Gabri hat es erzählt, bevor sie zum ersten Mal den verfluchten Berg in den Sand gezeichnet hat…«
Matt rieb sich den schmerzenden Schädel. War das ein Signal? Gab
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