2331 - Die Eisstadt von Vaccao
Vernichtung ohne Vorwarnung.
Er hatte die mögliche Reaktion der Awour von SENECA extrapolieren lassen; die Wahrscheinlichkeit dafür lag bei knapp fünfzig Prozent. „Und was werden wir tun, wenn die fünfzehn Hawks durchgebrannt sind?"
Tekener lächelte. „Uns bleiben dann noch einige Möglichkeiten. Wir können auf diese goldenen Kristalle setzen, auf das Hypertakt-Triebwerk - oder mit der SOL in einen Dilatationsflug gehen."
„Ich habe diese Möglichkeit natürlich auch in Betracht gezogen. Deshalb deine Ankündigung, die SOL werde nicht mehr zurückkehren."
Er nickte. „Die Frist läuft in zwei Minuten ab."
SENECAS Stimme klang unverändert angenehm; genauso gut hätte die Bordpositronik die Menüvorschläge für das Kantinenessen der nächsten Woche durchgeben können. „Die genauen Zahlen?"
„550 Solaner aus der Menschenstadt sind zur SOL zurückgekehrt, meist kleine Familien mit Kindern. Der Rest von 673 Personen - einschließlich der inzwischen geborenen Kinder - hat sich offenbar bewusst entschieden, die neue Heimat in U'Hartu nicht wieder aufzugeben. Die Ortung meldet keine weiteren Personen auf dem Weg zum Schiff. Der Stand der Besatzung der SOL ohne die etwa 185.000 Mom'serimer am heutigen 23. Juli 1342 NGZ: 5144 Personen."
Tekener sparte sich die Frage nach. Dao-Lin. Darauf hatte er geachtet. Er nickte. „Der Countdown wird beibehalten. Start in ... 74 Sekunden."
„Ortung", sagte SENECA. „Ein Gleiter ist im Anflug auf die SOL. Die Insassin bittet darum, eingeschleust zu werden."
„Vergrö..." Tekener hielt inne. „Schon gut." Er wusste, wer sich in dem Fahrzeug befand.
Aber die Bordpositronik hatte bereits reagiert und eine Ausschnittvergrößerung generiert.
Der Smiler atmete tief ein. Es war Dao-Lin.
Doch seltsamerweise empfand er nicht die geringste Freude.
Seine Kehle war wie zugeschnürt, und er nahm die Ankunft seiner ehemaligen Gefährtin zur Kenntnis.
Mehr war da jedoch nicht
12.
Ronald Tekener fragte sich, was in Fee Kellind vorging, während sie die Befehle erteilte. Sie saß völlig beherrscht im Sessel der Kommandantin, blickte mit ausdruckslosem Gesicht auf die Holos, ein Ausbund an vorbildlicher Konzentration.
Gespannt beobachtete er das Zusammenspiel zwischen der Schiffsführung. Fee Kellind gab mit sicherer Stimme die Anweisungen, die Stellvertretenden Kommandanten und Oberstleutnants der Schiffsführung bestätigten den jeweils abgefragten Status, ließ durch nichts erkennen, dass sie mit den Gedanken vielleicht woanders war.
Was für ein Gegensatz zu ihm!
Alles lief planmäßig. „Nugas-Schwarzschild-Hauptkraftwerke?"
„Hochgefahren und einsatzbereit."
„Freigabe. Nugas-Schwarzschildreaktoren der Protonenstrahl-Impulstriebwerke?"
„Hochgefahren und einsatzbereit."
„Freigabe. Haupt-Fusionsreaktoren?"
„Hochgefahren und einsatzbereit."
„Freigabe. Daellian-Meiler?"
„Hochgefahren und einsatzbereit."
„Start!"
Eine Masse von 3,67 Milliarden Tonnen unter Standardgravitation, verteilt auf die beiden SOL-Zellen mit je 1,55 Milliarden, den Rest beanspruchte das Mittelteil. Sie hatten unzählige Simulationen gefahren, unzählige Testläufe, in denen die Aggregate unter den neuen Bedingungen getestet worden waren. Theoretisch konnte nichts schief gehen. Theoretisch.
Tekener lauschte, doch nichts in der Zentrale verriet, dass die Kraftwerke, Meiler und Reaktoren hochfuhren. Auch die Andruckabsorber funktionierten` einwandfrei. Nur anhand der Holos ließ sich erkennen, dass das mächtige Schiff sich anfangs fast unmerklich, dann immer schneller werdend aus der Mulde hob, die sie zwanzig Kilometer von U'Hartu entfernt mit den Borddesintegratoren ausgehoben hatten.
Roman Muel-Chen sah von seinen Kontrollen auf und lächelte leise. Don Kerk'radian nickte schwach, und Tonko Kerzner atmete hörbar aus.
Die SOL flog wieder! „Höhe zwanzig Meter", sagte der Erste Pilot. „Fünfzig. Einhundert. Alle Systeme funktionieren einwandfrei."
Fee Kellind nahm die Meldung kommentarlos hin.
Was mag sie jetzt empfinden?, fragte sich Tekener erneut. Eine Stunde hatten die Solaner aus der Menschenstadt von U'Hartu Zeit gehabt, sich zu entscheiden, ob sie auf Ultrablau bleiben oder die Reise mit der SOL fortsetzen wollten. Ihnen allen war klar, dass das Schiff wahrscheinlich nie mehr hierher zurückkehren würde.
Eine Stunde lang hatte Fee Kellind wahrscheinlich zwischen Hoffen und Bangen geschwebt, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Und ohne die
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