2357 - Camp Sondyselene
sich in Richtung des Gestirns. In seinem Bewusstseinshintergrund würdigte und dankte er dem Schutzbund, während er sich auf seine heutigen Aufgaben vorbereitete. Ushekka empfand es als Gnade, in den Reihen der Ay'Va wirken zu dürfen.
In den nächsten Stunden würde er zweifellos die Lytrila-Kristalle in Empfang nehmen dürfen. Sobald Naigon sein Hotel verließ, würde sich neuerlich ein Trupp ausgebildeter. Urban-Killer auf seine Fersen setzen und ihn dem Wasserträger gezielt in die Arme treiben.
Ist denn der Stolze Herr bloß in Geld- und Kristallwerten zu bemessen?, fragte sich Ushekka, während er die rituellen Morgenexerzitien fortführte. Manchmal wirkt er verloren und geistesabwesend.
Dann wiederum strahlt er etwas Unbestimmtes, Erhebendes aus. Eine Aura, die ihn zu umlodern scheint und irgendwie Angst erregend wirkt.
Augenblicklich verdrängte er den Gedanken. Das Wort „Angst" hatte in seinen Überlegungen nun wirklich nichts verloren. Der Schutzbund verlangte kompromisslose Hingabe, die höchstens mit der archaischen Periode der Lehre der Letzten Tage verglichen werden konnte.
Quasireligiöser Eifer gehörte genauso zur Ay'Va wie eine bewusste Erhebung über die meisten Emotionen. Furcht, Schrecken, Liebe, Freude oder Traurigkeit hatten in Ushekkas Gedanken nichts verloren.
Er brach seine Exerzitien frühzeitig ab. Die Sucht nach dem Ospeno stand seiner geistigen Erfüllung gegenüber. In einsamen Stunden gab er sich all diesen sündigen Gefühlswelten hin, die ihm die Ay'Va eigentlich verbot. Er war schwach, und der Schutzbund wusste offenbar um sein persönliches Versagen. Andere Hauri hatten ihn in ihrem Streben nach Vervollkommnung und nach Fortkommen im Schoß des Schutzbundes längst überholt. Manchmal glaubte er gar zu spüren, dass ihn die Oberen schnitten und ihm bloß noch mindere Aufgaben zuschanzten.
Der Stolze Herr jedoch war seine Entdeckung.. Ushekka musste die Lytrila-Kristalle unbedingt in die Hände bekommen. Und wenn er Naigon darüber hinaus seine Geheimnisse entrang, würde er zweifelsohne einige Schritte auf der Erfolgsleiter nach oben machen.
Er atmete tief durch, versiegelte sein karg eingerichtetes Zimmer und packte das Werkzeug aus. Der Ospeno-Sud köchelte und blubberte im Topf fröhlich vor sich hin. Er würde ein paar Schlucke nehmen.
Ein öder zwei, um sich gegen die Wirrnisse des Tages zu wappnen.
Vielleicht auch drei, aber allerhöchstens vier oder ...
15.
„Wir gehen heute aus", sagte Polm Ombar in bestimmendem Tonfall. „Cosmuel Kain bleibt hier und behält die planetare Umgebung im Auge. Du und ich, machen uns auf die Suche nach Kirmizz."
„Geht's vielleicht noch unfreundlicher?"
Polm Ombar überspannte nach Kantirans Meinung den Bogen. Niemand hatte ihm zu sagen, was er zu tun und zu lassen hatte. „Natürlich", sagte der Revisor knapp und ohne einen Anflug von Humor. „Ich bin schrecklich geladen - wenn du verstehst, was ich meine ..."
Ja, Kantiran verstand. Polm Ombars Körper wirkte als organisches Kraftwerk.
Er verstand es, Stromstöße bei einer Spannung von bis zu 10.000 Volt durch Hände und Füße weiterzuleiten. Auch war er in der Lage, als wandelnder Elektromagnet einen Gegner im Nahkampf zu überraschen. In den Übungshallen der Friedensfahrer-Stadt Ellegato gab es kaum jemanden, der ihm von Angesicht zu Angesicht beikommen konnte.
Hatte sich der Revisor etwa zu sehr mit Energie „angefressen"? Litt er unter einer Art ... Sodbrennen? Einerlei. Kantiran wusste, dass auf Polm jederzeit und hundertprozentig Verlass war. Niemals würde er sich auf eine unüberlegte Aktion einlassen oder gar einen Zwischenfall provozieren.
Kantiran drehte sich zu Cosmuel Kain um, die sich seit gestern in bemerkenswerter Zurückhaltung übte. Irgendetwas stieß ihr sauer auf. Hatte sie einer der Friedensfahrer beleidigt, bevor er Camp Sondyselene verließ? „Du lässt die Nachrichtendienste in La Untique abhören?", fragte Kantiran, einer Eingebung folgend. „Ja", antwortete sie einsilbig. „Kannst du herausfiltern, ob während der letzten Tage irgendetwas Bemerkenswertes in der Stadt vorgefallen ist? Es muss ja nicht unbedingt der Name Kirmizz gefallen sein, aber vielleicht wurde ein Wesen mit ungewohnter Physiognomie registriert, das sich irgendwie hervortat. Möglicherweise gibt es Hinweise auf jemanden, der sein Gedächtnis verloren hat und eine unbekannte Sprache spricht. Oder man hat ein technisches Objekt gesichtet, das nicht dem
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