2376 - Tolle Tage in Terrania
war keineswegs der erste Prozessor, der ESCHER abhanden kam. Gewisse Anfangsschwierigkeiten, die man bald in den Griff bekommen würde: Auch in diesem Fall bewährte sich das deswegen entwickelte, zügig weiter ausgebaute Monitoring. ESCHER gebot mittlerweile über ein engmaschig geknüpftes Netzwerk. Hochpräzise Suchroutinen überprüften permanent Hilferufe, Krankmeldungen, Polizeiberichte und dergleichen nach Schlüsselbegriffen. Aus den herausgefilterten Fakten ergaben sich die Identifizierung sowie eine Position: Thora Road, beim Sojus Crescent.
Astuin und Myhr erreichten den angegebenen Ort auf schnellstem Weg.
Dennoch kamen sie zu spät. Der Gesuchte war nirgendwo zu sehen.
Kein großes Problem. In der Regel wurden die verwirrten Prozessoren rasch in Medostationen oder bei hilfsbereiten Passanten aufgelesen.
Sie fragten herum. Wie üblich übernahm Pal Astuin das Reden. Bald konnten Augenzeugen ausfindig gemacht werden.
Was sie berichteten, legte allerdings den Schluss nahe, dass es sich in diesem Fall um eine bewusste Entführung handelte.
Denn Matheux Alan-Bari besaß nachweislich keine Enkelin...
*
Mit größter Selbstverständlichkeit betrat Sparks die Boutique, um den Laden gestoppte vierundvierzig Sekunden später wieder zu verlassen. Aber nur, weil sie neben einem Kleid mit bis zu den Ohren hochgezogenem Kragen und den dazu passenden Stiefeln auch ein kesses Hütchen erstanden hatte, dessen Schleier ihr Gesicht vollkommen verbarg. Auf die Krempe setzte sie ihre Sonnenbrille samt eingebautem Kamera-Sensor.
Sie hatte ihren Beobachtungsposten unweit der Stelle, wo Hajmo und sie des Hyperphysikers habhaft geworden waren, kaum eingenommen, da erschienen auch schon die beiden in jeder Hinsicht düsteren Figuren. Gar kein Zweifel möglich, sie glichen den Beschreibungen aufs Haar.
Die rabenschwarzen Typen bewegten sich flott, zielgerichtet, doch ohne einen Hauch von Hektik oder Unsicherheit, mit auffallend gemessenen, raumgreifenden Schritten. Kurz hielten sie Ausschau, dann begannen sie, Passanten zu befragen. Bei einem dicken Mann auf einer Parkbank, an den sich Da'inta als einen der Gaffer erinnern konnte, hatten sie Erfolg.
Der Fette gestikulierte heftig in die Richtung, die Hajmo und Sparks mit dem desorientierten Wissenschaftler eingeschlagen hatten. Würde er auch genauere Personenbeschreibungen von ihnen liefern können?
Nicht anzunehmen. Alles war sehr schnell gegangen. Beide hatten Sonnenbrillen getragen, und Da'intas Leuchtfrisur fiel bei Tageslicht kaum auf. Trotzdem beschloss sie, ihre Haarpracht sobald als möglich einem neuen Styling zu unterziehen.
Die ESCHER-Leute hatten anscheinend genug erfahren. Sie marschierten zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Sparks erwog, ihnen zu folgen.
Obwohl sie stark bezweifelte, dass sich das Risiko lohnte: Aller Wahrscheinlichkeit nach würden sie in einem der dem grauen Gemäuer an der Thora Road benachbarten Bauwerke verschwinden.
Wenn das Ziel des düsteren Duos aber doch woanders lag? Vielleicht gewann sie so Kenntnis von einem zweiten ESCHER-Stützpunkt?
Die Entscheidung wurde Da'inta abgenommen. Auf dem Display ihres Komm-Armbands erschien ein Skorpions-Symbol. Dazu die lapidare Nachricht: Lieferung in dreißig Minuten okay?
Sie bestätigte, dann hastete sie zur Rohrbahnstation.
*
Matheux Alan-Bari gab einen gutturalen Laut von sich. Er griff sich an die Brust und sackte in Hajmos Armen zusammen.
Das Hochgeschwindigkeits-Förderband fuhr ungerührt weiter. Noch rund hundert Meter bis zur nächsten Ausstiegsmöglichkeit. Hajmos Gedanken überschlugen sich, während er sich mit dem bewusstlosen Hyperphysiker zu Boden sinken ließ und dessen Puls fühlte: schwach und unregelmäßig, aber vorhanden.
Sollte er die Notruf-Leiste am Handlauf betätigen? Ein Erste-Hilfe-Einsatz von Sanitätern oder Medorobs wurde mit Sicherheit dokumentiert. Ganz schlecht; so konnten sie sehr leicht aufgespürt werden.
Wie jeder Raumakademiker verfügte Hajmo über passable medizinische Grundkenntnisse. Dennoch traute er sich nicht zu, Alan-Bari allein zu versorgen.
Was, wenn an dessen mysteriöser Kristall-Krankheit doch etwas dran war? Er wollte den alten Grundlagenforscher keineswegs auf dem Gewissen haben.
Zwanzig Meter bis zum Ausstieg, fünfzehn, zehn. Eben noch lief ihm das Band viel zu langsam. Plötzlich schien es dahinzurasen.
Was sollte er bloß tun, wo Hilfe suchen?
Kannte er einen Arzt, dem er vertrauen
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