24 kurze Albträume (German Edition)
verstanden. Das wäre hier auch gar nicht möglich. Die Frauen kommen alle aus Osteuropa, Russland, Tschechien, Polen, und man darf sich nicht wundern, wenn Olga plötzlich nicht mehr da ist und eine Nadja an ihrer Stelle sitzt und auf Kundschaft wartet. Ich zumindest wundere mich schon lange nicht mehr darüber.
Nun wollte ich Ihnen ja erzählen, was mich zu Prostituierten treibt. Also, ich liebe es, in diesen kleinen, verträumten Buden zu sitzen. Nur sie und ich, als wären wir die letzten Menschen auf der Welt. Wer würde da nicht romantisch werden? Ich betrachte Ruslana in ihrer Kluft, spüre ihre gespannte, manchmal auch ängstliche Stimmung. Richtig aufgegeilt war noch nie eine, ich weiß das, ich merke es sofort, wenn eine Frau aus sich heraus bereit ist. Aber das ist bei Irina nie der Fall. Außerdem lege ich da auch gar keinen Wert darauf. Denn an Sex habe ich kein Interesse, wenn ich bei einer Prostituierten sitze.
Und das ist der zweite Punkt – meine Fantasien könnte ich nämlich im Bordell oder auf dem Straßenstrich gar nicht ausleben. Ich brauche Ruhe, ich brauche Abgeschiedenheit, ich brauche Platz und einen verschwiegenen Wald.
Ich sollte Ihnen wohl erzählen, wie mein Besuch bei einer Prostituierten abläuft, dann wird es klarer. Zuerst parke ich den Wagen gut einen Kilometer entfernt. Den Rest des Weges lege ich zu Fuß zurück. Am Wohnmobil angekommen trete ich an das Fenster. Swetlana läßt die Scheibe runter, und ich sage ihr, was ich will und was das kosten soll. Natascha muss erst überlegen, ob sie akzeptiert, aber eigentlich hat sie ja eh keine Wahl und nimmt an. Ich gehe um das Mobil herum zur Tür, putze mir die Schuhe ab, und Lena läßt mich in ihr kleines Reich. Und wenn ich da erst mal da drin bin, dann verlasse ich es erst wieder, wenn ich fertig bin.
Natürlich ist die Stimmung etwas gespannt. Es ist klar, dass Natalia mir nicht unbedingt vertraut. Auf der einen Seite bin ich ihr unheimlich, auf der anderen Seite allerdings habe ich ihr ein Angebot gemacht, dass jemand wie sie nicht ablehnen kann. Also frage ich, ob sie uns nicht vielleicht einen Kaffee machen könnte. Auf diese Weise gelingt es mir eigentlich immer, das Eis zu brechen, und nach und nach verfallen wir in einen Plauderton. Jana erzählt mir von ihrem Leben in der ukrainischen Provinz, und ich höre es mir geduldig an. Im Grunde interessiert es mich nicht besonders, vor allem, weil ich diese Geschichte so oder so ähnlich bestimmt schon zig Mal gehört habe. Aber so fasst sie schließlich Vertrauen zu mir, und darauf kommt es an. Darüber hinaus muss ich ja irgendwie die Zeit totschlagen, bis der Bote kommt. Und schließlich ist Vorfreude die schönste Freude. Niemand weiß das besser als ich. Wenn es erst einmal angefangen hat, ist es fast auch schon wieder vorbei.
Was ein Bote ist? Nun, er ist gewissermaßen der Gebietsleiter. Er fährt einen schicken Sportwagen und hat die Wohnmobile unter Kontrolle. Das bedeutet, dass er regelmäßig die Tageseinnahmen abholt, nachsieht, ob alles in Ordnung ist und ob nicht etwa irgendwo eine auf eigene Rechnung arbeitet. Das kann für Aljuscha ziemlich übel ausgehen, wenn sie auf die Fürsorgepflichten eines Boten verzichtet. Schnitte an den Handgelenken, oder, im Wiederholungsfalle, im Gesicht, um der Konkurrenz das Geschäft zukünftig zu erschweren, sind die übliche Vorgehensweise. Schnitte… Allein bei dem Gedanken fängt es bei mir an zu kribbeln.
Aber natürlich muss ich den Besuch des Boten abwarten. Da mein Wagen an einer ganz anderen Stelle steht, erwartet der Bote, dass Anastasia brav hinterm Steuer sitzt und auf Kunden wartet. Und wenn er sie da nicht antrifft, kommt er an die Tür, klopft an und verlangt zu wissen, wieso die »Schlampe« nicht am »kobern« ist. Ich hasse diesen Jargon. Ich nicke Elena
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