24 kurze Albträume (German Edition)
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Regina Schleheck
Ins Auge
Schokoladenfinger an dem beigefarbenen Autositz. Was gab es heute schon wieder?
Kokokadekeuselbot, sagt Schnuckelchen.
Und das um kurz vor sechs. Abendbrotzeit! Wo die alte Hexe genau weiß, dass ich nach der Arbeit noch nichts gegessen hab. Klar, für mich tut’s eine Stulle allein am Schreibtisch auch. Ich muss nicht mehr wachsen.
Nie gab's Schokoladenstreusel früher. Nur einmal, in Holland, bei dem Urlaub mit diesen Freunden. Wie schön, hieß es, da hast du doch jemand zum Spielen. So alt wie du. Die dumme Pute, die meiner Puppe Klara ein Auge eingedrückt hat.
Stell dich nicht so an, hieß es. Es war ihr peinlich vor ihren Freunden.
Die Schokoladenstreusel kamen von den Dummeputeeltern. Bei der Hexe gab’s das nie.
Nie wieder sind wir mit den Freunden gefahren. Gleich nach unserer Ankunft zu Hause wurde ich übers Bett gelegt, und dann gab’s Gürtel. Vom Büttel. Dabei war dem Auge von der Pute gar nix passiert. Nur ein Riesengeschrei hat sie gemacht.
Schnuckelchens Hände sind jetzt sauber. Braune Schlieren auf dem Beifahrerfenster. Ich hasse Putzen. Heute Abend Schreibtisch.
Wollen wir was essen, Schnuckelchen? Wir beide?
Schnuckelchen guckt durch das braune Schlierenfenster. Bin satt.
Rabenaas .
Kommt von Raben mutter . Diese alte Hexe mit dem einen Auge, das sie auf Schnuckelchen geworfen hat.
Später, am Schreibtisch, kommt sie natürlich doch.
Hunger!
Du wolltest nix.
Kulleraugen. Hunger!
Augenblick!
Ich schmiere ihr eine.
Sie schüttelt den Kopf. Kokokadekeusel!
Du kannst mich mal! Ich ziehe Schnuckelchen vom Bett und schicke sie mit einem Klaps aus dem Zimmer. Auf der Schwelle bleibt sie stehen. Guckt böse.
Oma gehen!
Ich presse beide Augen zu, drücke die rechte Faust an die Schläfe. Zerre Schnuckelchen ins Kinderzimmer, schubse sie aufs Bett. Lisa guckt mich strafend an. Aber Schnuckelchen muckt nicht. Sie schnappt sich Lisa. Dreht mir den Rücken zu. Drückt Wut in sich rein.
Morgen Oma!, sagt sie zu Lisa.
Ich mache die Tür fest zu. Immer hat die Hexe die Tür fest zugemacht. Und wenn ich leise, leise die Klinke vorsichtig herunter drückte, um einen schmalen Lichtstreifen in mein Zimmer zu lassen, dann hatte sie hinter der Tür gelauert, und es gab Gürtel vom Büttel.
Schiebe Stulle am Schreibtisch in mich rein. Wut in den Bauch.
Ich hab’s noch im Gefühl, erst so weich und dann das Knacken, unhörbar, nur spürbar. Bei der dummen Pute hat’s nicht geknackt, als ich ihr die Daumen aufs Auge gedrückt hab. Vor lauter Geschrei hätte man’s auch gar nicht hören können. Aber gefühlt hätte ich’s. Bei der alten Hexe hab ich’s gefühlt. Sie war gerade eingeschlafen, da hab ich meine Zimmertür leise, leise aufgemacht. Kein Lichtstreif fiel mehr rein. Sie sah ganz friedlich aus. Aber ihr Schnarchen verriet sie. Der Büttel schnarchte noch lauter. Da hab ich ihnen die Gürtel heimgezahlt.
Jetzt rächt sie sich, indem sie mir Schnuckelchen wegnimmt.
Leise, leise öffnet sich die Tür hinter meinem Rücken. Schnuckelchen steht da. Diesmal ist sie nicht allein. Sie hat Lisa mitgebracht. Lisa glotzt mich böse aus einem blauen Glasauge an.
Das andere ist eingedrückt.
Alexander Drews
Das Bekenntnis
Ich gehe oft zu Prostituierten.
Ich weiß, dass das niemand von mir erwarten würde.
Aber ich habe meine Gründe:
Wir wohnen in einem kleinen Ort nahe eines großen Waldgebietes, durch das eine Bundesstraße führt. Links und rechts zweigen zahlreiche kleine Waldwege ab, und fast an jedem vierten Weg steht so ein Wohnmobil, nett aufgemacht, mit Herzchengirlande, blinkendem Schnickschnack, Fußmatte und Tritt vor der Tür. Es gibt reiche Auswahl, und die brauche ich auch. Leute, die sich emotional so an eine Prostituierte binden, dass sie stets die gleiche Frau aufsuchen, habe ich nie
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