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24 kurze Albträume (German Edition)

24 kurze Albträume (German Edition)

Titel: 24 kurze Albträume (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Schleheck , Oliver Henzler , Michael Rapp , Bernhard Giersche
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Das wuss­te ich nicht. In Furcht, et­was ge­tan zu ha­ben, was auch mein Ge­schenk in Ge­fahr brach­te, schlang ich bei­de Arme fest um mei­ne neue Pup­pe.
    »Darf ich mal zu ihm?«, frag­te ich trotz mei­ner Furcht. Wer konn­te es mir ver­übeln, die­se ein­ma­li­ge Ge­le­gen­heit nut­zen zu wol­len? Ver­stoh­len lug­te ich zu ihm hin­über. Er stand mit zwei der an­de­ren Män­ner zu­sam­men und schi­en et­was zu be­re­den. Ich ver­moch­te es nicht, einen ein­zi­gen Laut zu hören. We­der der Weih­nachts­mann noch die an­de­ren ver­ur­sach­ten das ge­rings­te Ge­räusch. Kein Ra­scheln der Klei­dung, kein Laut zer­drück­ten Schnees, wenn sie ihre Schrit­te ta­ten. Nicht ein­mal Ab­drücke hin­ter­lie­ßen sie.
    »Das geht jetzt nicht. Er hat eine Be­spre­chung mit… ähm… dem Ni­ko­laus und Knecht Ru­precht«, ant­wor­te­te die Frau. Ich war ent­täuscht, doch der Mann ne­ben uns ki­cher­te. Neu­gie­rig sah ich zu ihm hoch. Er hat­te schwar­ze Au­gen. Dun­kel wie die Fins­ter­nis ei­ner Nacht ohne Ster­ne. Die Frau knie­te sich zu mir her­un­ter. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie eben­falls schwar­ze Au­gen hat­te. Ich streck­te mei­ne Hand aus und be­rühr­te ihre Wan­ge. Sie war so kalt wie­der der Schnee un­ter mei­nen Füßen. 
    »Seid ihr bei­den El­fen?«, woll­te ich wis­sen, denn das schi­en mir die ein­fachs­te Er­klärung zu sein. Schließ­lich folg­ten sie den Weih­nachts­mann.
    Die Frau nick­te lächelnd. »Wenn du uns so siehst. Ja, wir sind El­fen.« Nun, da ich das wuss­te, ging ich mich ganz nah an die El­fen­frau her­an. Sie beug­te sich zu mir her­un­ter.
    »Sagst du dem Weih­nachts­mann, was ich mir wün­sche? Ich möch­te einen schö­nen Prin­zen hei­ra­ten!«, flüs­ter­te ich.
    »Ja«, wil­lig­te die El­fen­frau ein und at­me­te da­bei tief ein, als sei sie ei­nem ver­füh­re­ri­schen Duft ge­wahr ge­wor­den. Ich be­dank­te mich und küss­te ihr auf die Wan­ge. Mit der Zun­ge fuhr sie sich kurz über die Lip­pen, als ob sie eine lecke­re Ka­ra­mel­le be­kom­men hät­te. Dann woll­te sie mich eben­falls küs­sen - doch nicht auf die Wan­ge – nein, sie woll­te mei­nen Hals. Viel­leicht ma­chen El­fen das so, dach­te ich. Ge­hor­sam neig­te ich den Kopf zur Sei­te und sah ein er­war­tungs­vol­les Glit­zern in den Au­gen der Elfe. Als ihre Lip­pen bei­na­he mei­nen Hals be­rühr­ten und ich be­reits ih­ren Atem auf mei­ner Haut spür­te, hör­te ich auf ein­mal die Stim­me des Weih­nachts­man­nes.
    »Lie­bes, wir wol­len doch kein Auf­se­hen er­re­gen, nicht wahr?«
    Ohne zu zö­gern wich die El­fen­frau zu­rück. Ich be­kam zit­tern­de Knie, als nun der Weih­nachts­mann auf mich zu­schritt. Der feh­len­de Bart ir­ri­tier­te mich. Sei­ne Au­gen wa­ren von ei­ner solch dunklen Tie­fe, dass ich Angst be­kam, hin­ein­zu­fal­len. Die rote Ka­pu­ze des Um­hangs um­ran­de­te das Ge­sicht die­ses doch all­seits be­kannt güti­gen Man­nes auf eine Wei­se, dass es ge­ra­de­zu furchter­re­gend aus­sah. Als wür­de sich hin­ter dem Ge­sicht gar nichts be­fin­den. Nichts als die Dun­kel­heit sei­ner Au­gen.
    »Ich wer­de nie­man­dem ver­ra­ten, dass du hier warst«, flüs­ter­te ich.
    Er nick­te er­ha­ben. »So ist es Recht, mein Kind. Dein Wunsch sei dir ge­währt, doch höre: an dem Tage, an dem auch nur eine See­le von dem er­fährt, was du heu­te ge­se­hen hast, wirst du ster­ben. Und nun sein ar­tig und lauf nach Hau­se.«
    So­fort dreh­te ich mich um und eil­te nach Hau­se wie der Wind.
    In den an­nähernd ein­hun­dert Jah­ren, die die­ser Nacht folg­ten, gab es kaum einen Tag, an dem ich nicht dar­an zu­rück­dach­te. Was wäre ge­sche­hen, hät­te sie mich ge­küsst? Wer wa­ren sie wirk­lich? Hat die­ses Er­eig­nis über­haupt statt­ge­fun­den, oder ent­sprang es kind­li­cher Fan­ta­sie? Ich wuss­te, dass ich nie eine Ant­wort auf die­se Fra­gen be­kom­men wür­de. Es gab nur einen ein­zi­gen Weg, mei­nem Ver­stand die Klar­heit zu ge­ben, die er brauch­te. Und mit je­der Zei­le, die ich nun schrei­be, er­lan­ge ich mehr Ge­wiss­heit. Das Le­ben ver­lässt mich, ich spü­re es. Käl­te kriecht in mei­ne Fin­ger­spit­zen. Sie durch­zieht mich Mil­li­me­ter um

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