24 Stunden
Karen, die noch gar nicht glauben konnte, was passiert war.
Hickey richtete die 38er auf Stephanies Kopf. »Wenn du nicht sofort in den Wagen steigst, schieße ich noch einmal auf sie.«
Hickeys wütender Blick ließ keinen Zweifel daran, dass er Stephanie Morgan eine Kugel in den Kopf jagen würde. Karen ging rückwärts zum Wagen. Hickey folgte ihr mit der Waffe.
»Sie haben gesagt, dass niemand sterben wird!«
»Sie hat es darauf angelegt. Sie hätte sich doch selbst um diese verdammten Kühe kümmern können.«
»Sie hat zwei Kinder!«
»Denk besser an dein eigenes Kind, Schätzchen.«
Karen schluckte. Ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen. Abbys Tod rückte plötzlich in greifbare Nähe. Karen setzte sich auf den Fahrersitz und versuchte, die Nerven zu bewahren. Will spöttelte oft, dass sie mitten in einem Erdbeben noch die Ruhe bewahren könne, doch Hickey bewies nun das Gegenteil. Karen wusste nicht, wo sie die Kraft hernehmen sollte, weiterhin zu funktionieren.
Plötzlich sah sie im Geiste ihren Vater vor sich. Er hatte in Korea und Vietnam gekämpft. Mein Gott, wie sehr wünschte sie sich, er wäre jetzt hier. Er hätte gewusst, wie man mit so einem Scheißkerl wie Hickey umgehen müsste. Hickey hätte nicht mehr gewusst, wie ihm geschah. Doch ihr Vater war tot. Er war vor fünf Jahren an Krebs gestorben.
»Nimm den Schalthebel in die Hand und leg den Gang ein«, sagte Hickey, als spräche er mit einem Kind.
»Sie haben mich angelogen. Alles, was Sie gesagt haben, war gelogen. Sie haben geplant, uns alle zu töten. Sie warten, bis Sie Ihr Geld haben, und dann töten Sie uns.«
»Hör mir mal gut zu. Du scheinst jetzt wirklich durchzudrehen. Erinnerst du dich an Costa Rica? Morgen Abend sitze ich bereits im Paradies und schlürfe Cocktails. Mich interessiert es nicht, wer gesehen hat, dass ich irgend so eine Schlampe in einem Lexus erschossen habe. Mich interessiert nur mein Geld. Und das sollte dich auch nur interessieren. Haben wir uns verstanden?«
Karen atmete tief durch und wählte auf dem Autotelefon den Notruf.
Hickey drückte ihr die Waffe so fest in die Rippen, dass sie kaum noch Luft bekam. »Deine Freundin ist tot. Leg wieder auf und fahr weiter. Sonst wird Abby sich bald nur noch an eine Mutter erinnern, und zwar an die Zweiundzwanzigjährige, die der gute Will nach deinem Tod heiratet.«
Die Verbindung zum Notruf war schon zustande gekommen, als Karen das Gespräch abbrach. Sie hasste sich für ihre Feigheit, doch im Moment konnte sie es sich nicht leisten zu sterben. Nicht hier in diesem Wagen wegen einer Bekannten, die wahrscheinlich sowieso schon tot war. Sie musste ihr Kind großziehen. Alles andere war bedeutungslos. Sie und Abby mussten diesen Tag lebend überstehen.
Karen schaltete, fuhr rückwärts auf den Rasen und dann um den Lexus und die im Sterben liegende Stephanie Morgan herum.
Beim Klingeln des Telefons sprang Will in der Suite im Beau Rivage auf und stürzte sich sofort darauf. Seit er Ferris die Erlaubnis gegeben hatte, das FBI anzurufen, konnte er seine Ungeduld kaum noch zügeln. Er war äußerst gespannt, was Ferris zu berichten hatte. Suchte bereits ein ganzes Geschwader von Hubschraubern die Wälder rings um Hazelhurst ab? Überflogen sie auf Baumhöhe alle Straßen und Wege, sodass ihren Blicken kein Hund und keine Kuh entging? Er riss den Hörer von der Gabel.
»Will Jennings.«
»Was haben Sie denn am Telefon zu suchen?«, fragte Hickey. »Erwarten Sie einen Anruf?«
»Nein«, stammelte Will. »Ich bin gerade fertig zum Aufbruch.
Ich will Ihr Geld holen, damit ich Abby endlich zurückbekomme.«
»Das ist gut, Doktor. Es wird nämlich Zeit, zur Bank zu gehen.«
»Ich bin bereit.«
»Sie hören sich verschlafen an. Cheryl hat ein paar Aufputschpillen, falls Sie welche brauchen. Ich lege keinen Wert darauf, dass Sie alles versauen, nur weil Sie nicht mehr klar denken können.«
»Ich werde nichts versauen. Aber ich muss mit meiner Tochter sprechen. Vorher fahre ich nicht zur Bank.«
»Ach, tatsächlich? Hm. Vielleicht sollten Sie mal kurz mit Ihrer Frau sprechen. Wir hatten gerade Besuch.«
Auf Wills Stirn bildeten sich Schweißperlen. »Karen?«
»Will!«
»Ist alles in Ordnung?«
»Nein, er hat gerade Stephanie Morgan erschossen.«
Will blinzelte mit den Augen. Er hatte sich sicher verhört. »Hast du gesagt...«
»Sie haben ganz richtig gehört«, mischte sich Hickey ein. »Ihre Frau hat es jetzt eilig, zur Bank zu kommen. Wenn ich mir aber
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