24 Stunden
nicht für die Passivität entscheiden. Trotz Cheryls Beteuerungen, dass er Abby morgen zurückbekommen würde, glaubte er ihr nicht. Soweit traute er seinen Instinkten.
Der Waschlappen auf seinen Augen war wieder kalt geworden. Das Dröhnen des Q VC-Senders, der marktschreierisch seine Waren feilbot, drang aus dem Schlafzimmer. Cheryl sah zu, wie »falsche Saphire« angeboten wurden, was immer das auch sein sollte. Will warf den Waschlappen auf den Boden und richtete sich auf. Er brauchte mehr Informationen. Cheryl behauptete zwar, dass dieses Kidnapping genauso ablief wie die anderen, aber dem war nicht so. Wo lag der Unterschied? Wusste selbst Cheryl möglicherweise darüber nicht Bescheid? Will stöhnte vor Schmerzen, als er aufstand und ins Schlafzimmer ging.
In der Stadtmitte von Jackson quälte sich Dr. James McDill durch die Ordner. Geduldig blätterte er Seite für Seite um und schaute sich die Fotos an. Er und Margaret waren aus dem engen Vernehmungszimmer in das Großraumbüro umgezogen, in dem die Spätschicht der Mordkommission noch aktiv war. Agent Chalmers hatte sich in die Verbrecherdatei des Landeskriminalamtes eingeloggt, aber bisher hatte die Suche im NCIC noch nichts gebracht. Die Anzahl von Straftätern namens Joe, die im Süden Verbrechen begangen hatten, war erstaunlich, und die meisten hatten Doppelnamen.
Chalmers hatte Margaret Fotos von Straftätern namens JoeBob, Joe-Ed, Joe Dee, Joe Jimmy, Joe Frank, Joe Willy und sogar von einem Joe DiMaggio Smith gezeigt. Leider wies keiner auch nur die Spur einer Ähnlichkeit mit dem Joe auf, der Margaret vergewaltigt hatte. McDill hatte seiner Frau geraten, sich auf das Naugahyde-Sofa an der Wand zu legen, doch das hatte sie abgelehnt. Sie saß an einem freien Schreibtisch und arbeitete sich verbissen durch die Blätter mit Fotos. In ihren Augen war ein seltsamer Glanz, der McDill erfreute. Vielleicht bedeutete dieser Schimmer die Rückkehr in die Welt der Lebenden nach einem Jahr im Fegefeuer.
McDill trank einen Schluck kalten Kaffee und schaute wieder in das Album, das vor ihm auf dem Tisch lag. Weibliche Straffällige im hellen Schein des Blitzlichtes. Das selbstgefällige Grinsen von Scheckbetrügerinnen. Ausgemergelte, narbige Gesichter kokainabhängiger Huren. Keine von ihnen war annähernd so attraktiv wie Cheryl. In seiner Erinnerung sah die Frau, die ihn gezwungen hatte, die ganze Nacht im Beau Rivage zu sitzen, aus wie die Schönheitskönigin einer Highschool. Er wusste, dass ihm seine Erinnerung wahrscheinlich einen Streich spielte, und doch sah er sie im Geiste so deutlich vor sich wie die Gegenstände in dem Raum, in dem er saß. McDill war überzeugt davon, dass Cheryl, falls sie in einem dieser Ordner zu finden war, wie eine Rose herausstechen würde.
Er rieb sich über die Augen und schlug die nächste Seite auf. Beim Betrachten der Fotos wurde er von Agent Chalmers' Stimme abgelenkt. Der FBI-Agent sprach mit dem Kollegen Washington von der Mordkommission über das, was die McDills vor einem Jahr hatten durchmachen müssen. Chalmers war so taktvoll, die Vergewaltigung hier vor Margaret nicht zu erwähnen, doch die perfekte Planung der Kidnapper schien ihn mächtig zu beeindrucken.
»Es gibt keine Lösegeldübergabe«, sagte er. »Nicht im klassischen Sinne. Verstehen Sie? Das Lösegeld ist so niedrig, dass es sofort zur Verfügung steht. Die Zielperson kann es ohne Probleme abheben. Und der Ehemann ist nicht in der Stadt, wenn das passiert. Das Kind verschwindet, und die Mutter wird die ganze Nacht von einem der Kidnapper bewacht. Ein weibliches Mitglied der Bande hält den Ehemann an der Küste fest; während das Kind von einem dritten Bandenmitglied an einem anderen Ort gefangen gehalten wird. Von diesem Zeitpunkt an wird durch die halbstündlichen Kontrollanrufe ein undurchdringliches Netz gespannt. Das klassische Entführungsmodell wird untergraben. Das Risiko wird praktisch ausgeschaltet. Am nächsten Morgen putzt sich die Ehefrau heraus, geht zur Bank und überweist ihrem Gatten das Lösegeld. Ruck, zuck ist alles vorbei.«
Detective Washington nickte nachdenklich. »Sie haben es da mit einem ziemlich gerissenen Scheißkerl zu tun. Und was machen Sie, wenn Sie herausfinden, wer das ist? Durch diese halbstündlichen Anrufe sind Ihnen die Hände gebunden. Jede Einmischung in den Fall könnte die Geisel töten, ehe Sie herausbekommen haben, wer es ist.«
»Wir werden unseren ganzen Hightech-Apparat mobilisieren. Falls wir in
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