24 weihnachtliche Geschichten - ein Adventskalenderbuch
die Klofrau klatschte in die Hände.
„So eine Eisenbahn hatten wir früher zum Spielen, in Russland!“, rief sie.
Und obwohl sie einander nicht verstanden, war es ein gutes Gespräch.
Da ging die Tür auf, und noch jemand wehte herein. Es war eine ganz junge Frau mit einem Paket im Arm, das in viele Decken gewickelt war.
„Entschuldigung“, sagte die junge Frau, „können wir hier warten, bis der Sturm vorüber ist? Das ist unsere einzige Chance, etwas zum Unterstellen zu finden …“
„Ich verstehe Sie nicht“, sagte die Klofrau, „aber Sie können gerne hier warten, bis der Sturm vorüber ist.“
Der Mann lächelte die junge Frau an, aber er verstand sie wohl auch nicht, weil sie wieder eine andere Sprache sprach. Sie war hübsch, mit langem schwarzem Haar und großen dunklen Augen, und als sie das Paket auswickelte, hatte es auch schwarzes Haar, aber kurzes. Und es schrie. Es war ein Baby. Die junge Frau setzte sich auf eine andere Kiste und legte das Baby an ihre Brust. Da hörte es auf zu schreien und trank. Ich sah zu, wie seine kleinen Fäuste auf- und zugingen, als wollte es nach etwas greifen – vielleicht nach dem Gefühl von Weihnachten. Denn das Gefühl von Weihnachten war auf einmal sehr nah.
Ich dachte an das Baby Jesus, das Weihnachten in einem Stall gefeiert hat. Das ist fast so wie in einem öffentlichen Klo.
„Heute kommen wir wohl nicht mehr zu unserer Wohnung zurück“, sagte die junge Frau, die keiner verstand, „aber da sindwir sowieso ganz alleine, der Kleine und ich. Hier ist es viel schöner, mit dem Baum und den Leuten.“
Der Mann hängte weiter Baumschmuck auf, immer und immer mehr, bis seine Tüten leer waren und der Baum übervoll. Das Baby hörte auf zu trinken, guckte das glitzernde Gebaumel an und freute sich.
Schließlich griff der Mann in die letzte Tüte und holte ein Päckchen heraus.
„Wenn Sie möchten, ist das für Sie“, sagte er zu der jungen Frau, ein bisschen verlegen. „Es war für meine Freundin, aber ich bin mir jetzt sicher, dass sie es nicht gemocht hätte.“
Die junge Frau lächelte, und die Klofrau fing an, ein Weihnachtslied zu singen, dessen Worte außer mir wohl wieder keiner begriff.
Es war das beste elfte Weihnachten, das man als Hund haben kann.
Ich legte eine Pfote auf das Knie der jungen Frau und eine auf das Knie des Mannes und dachte: Das ist deine Chance! Und ich sagte: „Kann ich dann bei euch wohnen? Später, so?“
Sie lachten und verstanden mich nicht, nur das Baby vielleicht. Es guckte so.
19. Dezember
Wolfram Hänel
Der perfekte Weihnachtsbaum
„Was?“, ruft Pauls Mutter entgeistert.
„Ihr wollt heute schon los und einen Baum besorgen? Es sind noch fünf Tage bis Weihnachten!“
„Fünf Tage sind nicht viel“, antwortet Pauls Vater. „Und wir sind auf der Suche nach dem perfekten Baum. Das kann dauern, bis wir ihn gefunden haben.“
„Ach so“, sagt Pauls Mutter. „Das wusste ich nicht. Dann beeilt euch mal besser, bevor es zu spät ist.“
So wie sie das sagt, ist Paul klar, dass sie es immer noch für Unsinn hält, jetzt schon einen Baum zu holen. Aber das ist ihm egal. Er hat sowieso nichts anderes zu tun.
Nur als sein Vater dann mit der Säge aus dem Keller kommt, fragt er: „Hä? Wozu brauchen wir die denn? Die Bäume sind doch alle längst abgesägt!“
„Jetzt pass mal auf, mein Sohn“, sagt sein Vater. „Wir wollen den perfekten Baum und nicht wieder so eine Krücke wie im letzten Jahr. Aber was sie da auf dem Weihnachtsbaum-Markt anbieten, sind alles Krücken. Und wenn es keine sind, dann musst du ein Vermögen dafür bezahlen, das wir nicht haben. Deshalb gehen wir beide jetzt schön in den Wald. Der Förster verkauft nämlich auch Bäume. Und die kosten nicht mal die Hälfte, weil man sie sich selber absägen muss. Aber dafür kann man auch so lange suchen, bis man den absolut perfekten Baum gefunden hat. Alles klar, mein Sohn?“
„Alles klar“, sagt Paul. „Mutti wird bestimmt staunen, wenn wir mit einem Baum wiederkommen, den wir sogar selbst abgesägt haben!“
„Darauf kannst du die Weihnachtsplätzchen wetten, die wir in den nächsten Tagen noch futtern werden“, sagt sein Vater, und sie ziehen los.
Aber sie nehmen nicht die Straßenbahn oder das Auto, sondern laufen zu Fuß.
„Wie früher“, erklärt Pauls Vater. „Da sind die Leute auch zu Fuß durch den tiefen Schnee in den Wald gestapft, um sich ihren Baum zu holen.“
Der Unterschied ist allerdings, dass bei
Weitere Kostenlose Bücher