2464 - Das Archaische Programm
transportierten sie die Toten ab. Taffanaro hatte Mühe, unter dem Eindruck des Gesehenen und Gehörten seine Gedanken zu sammeln. Er ertappte sich dabei, wie er sich Fragen nach seiner Mitschuld an den Vorgängen stellte. In seinem Kopf gerieten die Gedanken durcheinander, ein Wirrwarr, wie er um sie herum nicht schlimmer sein konnte. Ein Chaos ...
Schon das Wort verursachte ihm Krämpfe. Heromet sogen ihr Pflichtgefühl gegenüber den Hohen Mächten mit dem ersten Atemzug ein, und es war das Letzte, was ihren Körper und Geist verließ, wenn sie starben.
Ordnung bedeutete für Heromet nicht nur ein theoretisches Prinzip.
Sie stand für das exakte Abbild der Natur in ihrem Lebensraum, in dem jedes Ding seinen Platz hatte, jeder Halm, jeder Ast.
Der Gedanke, es könnte nach der langen Zeit anders sein, jagte ihm Angst ein. Ein leises Rasseln drang aus seiner Kehle, unregelmäßig und ungeordnet, als wolle es ihn verspotten.
Ich brauche Gewissheit!, schärfte er sich ein. So schnell wie möglich!
Eine Hand berührte seinen Rücken.
Er erstarrte, wagte kaum, den Kopf zu drehen.
„Sag mir, was ich tun soll, TAI-Servo!"
Taffanaro wandte sich um. Kafarain stand leicht nach vorn gebeugt da, wagte kaum, ihn anzusehen.
Du hast dich nicht geändert, Kafarain!
Laut fragte er: „Was willst du?"
„Es gibt viel zu tun. Wo soll ich anfangen?"
„Du bleibst vorerst an meiner Seite", entschied Taffanaro. Schließlich war Kafarain sein Stellvertreter beinahe seit Ewigkeiten.
Die Gänge waren zu schmal, Kafarain blieb hinter ihm, immer anwesend und doch nicht zu sehen. Genau wie früher.
Wenigstens etwas, das sich nicht verändert hat, dachte Taffanaro. Ich muss hinaus!
Die ersten Heromet fanden sich zu Gruppen zusammen und diskutierten über die Gründe, warum man sie geweckt hatte. Taffanaro duckte sich hinter dem deutlich kleineren Kafarain, damit sein schwarzer Anzug nicht sofort die Blicke der Servos auf sich zog. Es gelang ihm nur teilweise. Erste Rufe erklangen, aber sie gingen glücklicherweise in einem Tosen und Rumpeln unter, das von der Decke kam. Ein Teil der Leuchtkörper erlosch. Die Fugen zwischen den Segmenten wurden breiter. Nach wenigen Augenblicken drang grelles Licht hindurch.
Das fehlte noch, dass die gesamte Welt innerhalb von CHEOS-TAI aus den Fugen geriet. In der Decke bildeten sich große Öffnungen, hinter denen es goldfarben schimmerte. Der Raum darüber ließ sich nicht genau erkennen, alles blieb diffus und verwaschen.
Taffanaro entdeckte Roboter mit großen Mulden in den voluminösen Leibern. Sie sanken herab und luden die Toten ein. Es mussten mehrere tausend sein. Verteilt über mehrere Sektoren von CHEOS-TAI, existierten viele solcher Stasiszentren, nicht nur für die Heromet, sondern auch für andere Völker des GESETZ-Gebers.
Der TAI-Servo wandte sich ab. Er konnte nicht zusehen, wie die Roboter die Toten verluden und abtransportierten. Er wollte auch nicht wissen, wohin sie die Leichname brachten.
Viele der Servos hatte er mit Namen gekannt, mit den TAI-Servos war er näher bekannt gewesen. Das gemeinsame Interesse am Wohlergehen des GESETZ-Gebers und die Arbeit für die Mächte der Ordnung hatten die Heromet in den schwarzen Overalls zusammengeschweißt.
Und jetzt das!
Taffanaro zuckte unter einem plötzlichen Gedanken zusammen. Seine Nackthand peitschte unkontrolliert den Boden. Servos, die nach einer Stasis nicht mehr erwachten, hatte es immer schon gegeben. Das konnte nach 100, 1000 oder 10.000 Jahren der Fall sein. Dazu brauchte es keine 29 Millionen. Es konnte nur am Zeitmesser liegen, der defekt war.
Dennoch – ein Zweifel blieb, und er nagte in Taffanaro, der alles um sich herum vergaß und losrannte. Weg von diesem Ort, aus diesem Raum. Bloß wohin?
„Warte auf mich!"
Er kannte die Stimme, aber sie bedeutete ihm nichts. Das hintere Ende der Halle, dort musste er hin. Dort blinkten grellgelbe Kontrolllichter.
Sie brannten sich in sein Gehirn ein, lösten Sperren der Erinnerung, brachten Bereiche seines Gehirns in Schwung, die bisher noch geruht hatten.
Das Schott zwischen den Lichtern führte in den Kontrollraum.
„Halt!", verkündete die Stimme neben seinem Kopf. „Du schadest deinem Körper. Dein Kreislauf ist solche Anstrengungen noch nicht gewohnt."
„Zu spät!" Seine Beine wurden übergangslos schwer wie Blei. Er suchte nach einem Halt und fand ihn bei einem der Roboter. „Bring mich in den Kontrollraum. Das ist ein Befehl!"
„Jawohl, TAI-Servo.
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