2475 - Opfergang
Diesen einen Augenblick wollte er für immer in seiner Erinnerung speichern.
Nach einer Weile zog Fawn ihn mit sich.
Der goldene Widerschein des aufgehenden Mondes tanzte auf den Wellen.
Weiter draußen waren leichte Schaumkronen zu erkennen.
Hand in Hand liefen Marc und Fawn durchs Wasser. Sie tollten umher wie übermütige Kinder. Ein Schwarm Falkennachtschwalben, die sich in den Mangroven niedergelassen hatten, stieg erschreckt auf. Sie lachten beide darüber, als gäbe es nichts anderes auf dieser Welt, als sei die Zeit endlich stehen geblieben und der Schrecken der Terminalen Kolonne unendlich weit entfernt.
Fawn küsste den jungen Mann lange und fordernd. Marcs Hände glitten über ihre Brüste. Er spürte ihr Herz schneller schlagen und war einfach nur glücklich.
Der Mond stand inzwischen mehrere Handbreit über dem Horizont. Sein Widerschein war heller geworden.
Krabben huschten über den Strand.
Vergeblich bemühte sich Marc, wenigstens eines dieser flinken Tiere zu fangen. Als er vor einer der Höhlen kauerte und Fawn ihn mit zwei Fingern antippte, kippte er der Länge nach in den feuchten Sand.
Lachend streckte sie ihm ihre Hand entgegen, um ihm wieder aufzuhelfen, aber er zog Fawn ruckartig zu sich hinunter. Einander eng umschlungen wälzten sie sich über den Strand. Ihr Lachen mochte weithin zu hören sein, aber das störte beide herzlich wenig.
Klatschnass waren sie, als Marc – endlich – Fawns Oberteil abstreifte und es achtlos zur Seite warf. Wie Ertrinkende klammerten sie sich aneinander fest, als wolle einer den anderen nie wieder loslassen.
Bald würden sie nur noch in Gedanken vereint sein. In der Erinnerung an wenige schöne Jahre und eine Stunde am Strand von Bartolomé, von der sie ein Leben lang zehren konnten.
Vielleicht, befürchtete Marc London, hatte Fawn nur noch wenige Monate zu leben. Fawn Suzuke wusste das ebenso gut wie er, aber sie schwiegen beide.
7.
Zerberoff hatte den rechten Arm ausgestreckt. Über der Handfläche projizierte er ein stilisiertes Hologramm der Dienstburg. Es war nicht allzu groß, zeigte aber dennoch sehr viele Einzelheiten. Aroff dirigierte die Ausschnittvergrößerung, indem er mehrmals in die Darstellung hineingriff. Letztlich wurden die angrenzenden Distrikte der mittleren Terrassenebene mit den wichtigsten Versorgungspunkten dargestellt.
Zerberoff schloss alle vier Finger der Mor’Daer-Hand um den Datenkristall.
„Die Sequenzen sind nicht aktualisiert", stellte er unumwunden fest. „Ich gehe davon aus, dass sämtliche Transmitterknoten ausgefallen sind oder von Mor’Daer-Truppen bewacht werden. Inwieweit die Rohrbahnen noch Kapazität haben oder wegen der Attacken der Dunklen Ermittler überfrequentiert ..."
Das Sprechen bereitete dem Dual Mühe. Zerberoff zitterte. Nach Atem ringend, hörte er im Satz auf, fuhr aber gleich darauf fort: „Ich schlage vor ... wir suchen einen der nächstgelegenen Gleiterverteiler auf."
„Ist das alles, was du zu bieten hast?", fragte Danton. „Gleiter, die jederzeit von einer Kontrollstelle übernommen werden können? Sofern die Verbindungen Befehlswege offen lassen. Aber das wissen wir nicht. Abgesehen davon dürften wir Mühe haben, überhaupt einen leeren Gleiter zu finden."
Er hatte recht. Von vornherein war jedem bewusst gewesen, dass die Aktion gegen Antakur von Bitvelt eine Abfolge von Improvisationen sein musste, abhängig von der Entwicklung auf CRULT nach der Zündung des ersten Emitters.
Die Rechnersimulationen hatten eine große Palette möglicher Szenarien ergeben. Angefangen mit „Die Zündung des ersten Psi-Emitters bleibt weitgehend unbemerkt, und nur Antakur ist davon betroffen" bis hin zu „Die Chaos-Geschwader im Umfeld der Dienstburg greifen ein und setzen ihre Kampftruppen ab".
Ein Teil des Vorgehens basierte von Anfang an darauf, dass die Ermittler-Rebellen für Unruhe sorgen würden. Das hatten sie getan.
Aber dass ein einziger Ermittler weiträumige Verwüstungen auslösen könnte, war nicht in die Szenarien eingeflossen.
Ebenso wenig die deshalb frühzeitig in Gang gesetzten und offensichtlich kaum koordinierten Evakuierungen. Das war eine Entwicklung, die in Danton extrem zwiespältige Empfindungen ausgelöst hatte.
Zerstörungen in vielen Distrikten.
Dichter Qualm hing über weiten Terrassenabschnitten. Feuersbrünste tobten.
Dazu die wuchernde Dunkelheit, ein unheimlicher Moloch, der unaufhaltsam um sich griff. Tief in Danton war das Misstrauen
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