Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
vorhanden sei, griff nach den noch vom gestrigen Abende
her im Gras liegenden Speisevorräten und sagte:
    „Geschlafen haben wir, und zwar sehr gut! Jetzt frühstücken wir; dann reiten wir weiter!“
    „Wohin?“ fragte der Panther.
    Er war, die Offiziere hinter sich, zu uns herangetreten. Halef tat,
als ob er weder ihn gesehen noch seine Frage gehört habe. Er öffnete
die Pakete und zerlegte das vorhandene Fleisch, um es an uns zu
verteilen. Wir nahmen es und aßen. Der Mir allein machte eine Ausnahme;
er wies es ab. Er war innerlich so erregt, daß er es nicht
fertigbrachte, auch nur einen einzigen Bissen zu sich zu nehmen. Sein
Gesicht war plötzlich ganz gelb geworden, schmutzig gelb. Es nahm von
Augenblick zu Augenblick immer mehr und mehr jene abstoßende
Häßlichkeit an, von der ich schon einmal gesprochen habe.
    „Steht auf! Ich habe mit euch zu sprechen“, begann der Panther.
    Wir rührten uns natürlich nicht.
    „Steht auf! Ich befehle es!“ wiederholte er.
    Wir blieben sitzen. Da faßte er den Hadschi von hinten im Genick, um ihn emporzuzerren, und schrie ihn an:
    „Hund, auf mit dir! Ich werde –“
    Er kam mit der beabsichtigten Drohung nur bis hierher, denn die vier
Hunde waren aufgesprungen, hatten ihn gepackt und niedergerissen und
fletschten ihm nun von allen Seiten die scharfen, glänzenden Zähne
entgegen, so daß er einsehen mußte, daß er verloren sei, sobald er es
wage, eine Bewegung der Gegenwehr zu machen. Zwei oder drei der
Offiziere griffen schnell nach ihren Pistolen, um auf die Hunde zu
schießen; da rief er ihnen schnell zu:
    „Behüte Allah! Weg mit den Waffen, weg! Schießt nicht; sonst zerreißen sie mich!“
    Da wendete sich Halef ihnen zu und sagte:
    „Der Kerl ist gar nicht so dumm, wie ich dachte. Er weiß ganz genau,
was er zu erwarten hat. Ihr braucht nur einen einzigen Gewehr- oder
Pistolenlauf auf uns zu richten, so reißen sie ihm die Gurgel aus dem
Hals, und auch mit dem Betreffenden ist es aus. Ihn kenne ich. Er ist
der größte Schuft, den es auf Erden gibt. Wer aber seid denn ihr?“
    Da donnerte ihn der von ihnen, der die meisten Dressen an seinem Rock trug, zornig an:
    „Schweig! Er ist der neue Mir von Ardistan! Ich aber war bisher der Oberst dieses Regiments, doch nun bin ich General!“
    Da lachte Halef ihm mit seiner allergrößten Freundlichkeit in das Gesicht und antwortete:
    „General bist du jetzt, General? Also ein ebenso großer Schurke wie er? Da gehörst du ja unbedingt an seine Seite! Hu! Hi!“
    Indem Halef die Namen seiner beiden Hunde nannte, deutete er mit dem
Finger erst auf den zum General beförderten Oberst und dann auf die
Erde nieder, wohin er diesen haben wollte. Die Ausführung dieses
Befehles erfolge ebenso schnell wie vollständig. Im nächsten Augenblick
lag der Offizier genau neben dem ‚Panther‘, und keiner seiner
Untergebenen wagte es, ihn etwa durch einen Befreiungsversuch in noch
größere Gefahr zu bringen. Halef warnte sie:
    „Setzt euch jetzt ruhig nieder und wartet, bis wir gegessen haben!
Wir sind nicht gewöhnt, uns beim Frühstück stören zu lassen. Und merkt
euch das: Jede drohende Bewegung von eurer Seite kostet sowohl dem
neubackenen Mir als auch dem soeben ausgekrochenen General ganz
unbedingt das Leben! Nach dem Essen werde ich mit ihnen reden und auch
mit euch! Doch eher nicht!“
    Sie sahen einander an. So etwas war ihnen noch nicht vorgekommen!
Tausend Mann gegen fünf, und dennoch eine solche Furchtlosigkeit, zumal
von einem so kleinen Kerl, das hatten sie nicht für möglich gehalten!
Sie berieten leise. Aber den beiden, die es betraf, war angst und bange
vor den gewaltigen Gebissen, die sie so nahe vor ihren Augen hatten.
Der General befahl:
    „Setzt euch und wartet!“
    Er wagte bei diesen vier Worten kaum, die Lippen zu bewegen. Und der
‚Panther‘, der doch gewiß kein Feigling war, fügte kurz und ängstlich
hinzu:
    „Tut den Bestien nichts! Ich befehle es!“
    Da knurrte einer von ihnen:
    „Die hätten wir gleich erst erschießen sollen, als wir kamen. Nun aber ist's zu spät!“
    Sie suchten sich eine passende Stelle, um sich niederzusetzen und
das Kommende abzuwarten. Ihre Truppe tat dasselbe. Da beruhigte sich
der Mir und hörte auf meine Vorstellungen, daß er unbedingt auch
mitessen müsse, um den Anstrengungen gerecht zu werden, die uns
höchstwahrscheinlich nun erwarteten. Wir nahmen uns Zeit und aßen so
behaglich, als ob wir uns daheim im Schloß von Ard befänden.

Weitere Kostenlose Bücher