255 - Winterhexe
Rulfan und Aruula von ihren Tieren und stemmten sich zu Fuß gegen den Sturm. Jedoch nicht weit. Als die Horseys sich mehr und mehr zu sträuben begannen, gab Aruula das Zeichen zum Rückzug - dem Rulfan nur mit sichtlichem Widerstreben folgte.
»Glaubst du, Chira ist weiter zu diesem Wirbel vorgedrungen?«, rief Aruula gegen das Pfeifen an, das die Luft erfüllte.
Rulfan hob ratlos die Schultern. »Ich kann es mir nicht vorstellen. Andererseits… hätten wir dann nicht ihre Spur zurück finden müssen?«
Darauf wusste auch Aruula keine Antwort. »Hier können wir im Augenblick nichts tun«, erklärte sie dem Freund, der natürlich nicht vorschnell aufgeben wollte.
Rulfan nickte. »Eins gibt mir Hoffnung«, sagte er dann. »Wer immer Chira hierher gelockt hat, verfolgt damit einen Plan. Ihm kann nicht daran gelegen sein, sie einfach zu töten. Wenn sie sich da drinnen befindet, wird sie in Sicherheit sein. Gefangen zwar, aber in Sicherheit.«
»Vielleicht können wir ja mit der Macht im Wirbel Kontakt aufnehmen«, überlegte Aruula. »Vielleicht hat sie deshalb Chira zu sich gerufen: Damit wir ihr folgen!«
Rulfan schien davon nicht überzeugt. »Wenn sie mit uns sprechen wollte, wäre jetzt die beste Gelegenheit dazu! Warum zeigt sie sich nicht?«
»Weil einer von uns fehlt?«, vermutete Aruula. Sie fasste Rulfan am Arm. »Komm, lass uns zurück reiten zu Maddrax. Wir müssen uns besprechen, was zu tun ist!«
***
»Erzähl mir von damals«, drängte Matt sanft. »Erinnerst du dich überhaupt noch daran?«
Damian sah ihn an.
Natürlich sah er ihn nicht wirklich an, aber auf Matt wirkte es so. Auch jetzt verriet nichts an den Augen des Jungen, dass sie mit Blindheit geschlagen waren.
»Nicht gut. Sehr verschwommen. Was willst du wissen?«
»Quäl ihn nicht, Kerl. Siehst du nicht, dass es ihn auch heute noch mitnimmt?« Ben Coogan schob sich zwischen Matt und den Jungen.
»Ich will ihn nicht quälen, Ben. Aber vielleicht kann er mir etwas mehr zur Person der Winterhexe sagen. Du sagst, sie haust in einem Wirbel, zu Fuß eine halbe Tagesreise von hier -«
»Was wäre damit gewonnen?«, unterbrach ihn Coogan. »Niemand kann es mit dem Hexenweib aufnehmen. Was bildest du dir ein, Maddrax? Ein ganzes Dorf hat es versucht und ist gescheitert!«
»Schon gut, Dad, schon gut«, ging Damian dazwischen. »Er quält mich nicht. Ich würde gern darüber erzählen - das Wenige, was ich noch weiß. Du willst es nie hören, aber es liegt mir auf der Seele. Darüber zu sprechen… würde mich erleichtern.«
Coogans Blick schwenkte zu Damian. Für einen Moment sah es aus, als wollte er ihn anblaffen. Aber dann sprach er ganz sanft und besorgt. »Ist das dein Ernst, Junge? Das wusste ich nicht. Wenn dir danach ist - rede.«
Damian ergriff seine Hand und drückte sie. Matt sah eine Träne aus dem linken Auge des Mannes rollen.
Damian wandte sich Matt zu. »Da ist wirklich nicht mehr viel, woran ich mich erinnern kann. Es war die Nacht, als Dad und ein paar andere unterwegs zur Hexe waren, beunruhigt durch die Zeichen am Himmel und die Erschütterungen des Bodens. Da plötzlich erschien sie im Dorf. Sie war wunderschön. Ich erwachte von einem Schmerz am Arm - und sah sie neben mir stehen. Sie hielt eine Glasröhre mit einer Nadel in der Hand und forderte mich auf, mit ihr zu kommen. Als wir ins Freie traten, war alles voller Nebel, und einige Erwachsene lagen wie tot auf dem Dorfplatz.«
»Sie hat dir eine Spritze gegeben«, sagte Matt erregt. »Vermutlich, um dich aus der Bewusstlosigkeit zu wecken! Der Nebel könnte ein Gas gewesen sein, das alle betäubt hat. Was geschah dann?«
»Sie führte mich zu einer Gruppe Kinder und sagte, wir dürften nicht weglaufen. Wenn doch, würden sie uns zerfleischen!«
»Von wem redest du, Junge?«, fuhr Coogan dazwischen.
»Von den Lupas«, sagte Damian. »Die Frau hatte ein ganzes Rudel bei sich, das ihr aufs Wort gehorchte und uns zusammen trieb wie Schafe. In der Zwischenzeit ging sie von Haus zu Haus und holte überall die Kinder heraus. Und dann zogen wir los.«
»Zu Fuß?«
»Die Älteren, ja. Für die Kleinsten hatte sie einen Karren dabei, der von vier Lupas gezogen wurde. Wir waren fast einen ganzen Tag unterwegs, bis wir beim Haus der Hexe ankamen.«
Die Erinnerung schien Damian zu überwältigen, denn er verstummte. Matt beugte sich vor und nahm seine Hand. »Dieses Haus - erzähl uns davon! Wie sah es aus?«
Ȇber der Erde war es nur ein grauer Block, kaum so
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