Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
255 - Winterhexe

255 - Winterhexe

Titel: 255 - Winterhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
Vom Netzwerk:
groß wie deine Hütte, Dad«, berichtete der Junge weiter. »Aber unter der Erde war es riesig !«
    Matts Hände wurden schweißnass, und er ließ Damian wieder los. »Ich wusste es!«, flüsterte er. »Ein Bunker!«
    6.
    Vergangenheit
    Mai 2517
    Gwaysi unterbrach ihre Lebensgeschichte und starrte hinauf zum Himmel, der eine unnatürliche Färbung angenommen hatte.
    »Siehst du das?«, fragte sie den Mann, der sie gerettet… und den sie gerettet hatte. Beide wären sie ohne den anderen jetzt nicht hier, weit weg von Ayr, und weit weg von den Plätzen, von denen Gwaysi gerade erzählt hatte. Von Landán, wo sie im Jahr 2498 geboren wurde. Von ihrer Zwillingsschwester Twaysi, mit der sie um die Gunst des Vaters gebuhlt hatte. Und von den Erinnerungen an den Jungen, den sie geliebt und den ihre Schwester kaltblütig umgebracht hatte. [2]
    Den Rücken gekehrt hatte sie alldem - aber nun kam es wieder hoch, und sie merkte, während sie sich Rothschild offenbarte, dass die seelischen Wunden noch fast genauso frisch waren wie damals vor vier Jahren, als sie ihr gerissen worden waren.
    Wie sie ihre Schwester hasste für das, was sie ihr angetan hatte! Wie sie Angus Corr und seinen abartigen Bruder Wexley für alles hasste, das ihr angetan worden war - von ihnen persönlich oder mit ihrer Duldung!
    Und Hass, nichts anderes als dieses tiefste und brennendste aller Gefühle, hatte sie auf ihren jüngsten Peiniger einhacken lassen, obwohl er bereits hilflos vor ihr lag und keine Bedrohung mehr darstellte - nicht für den Moment jedenfalls.
    Aber er wäre wieder erwacht, und nichts hätte ihn davon abhalten können, mir nachzuhetzen und mich büßen zu lassen.
    So gesehen hatte sie in Notwehr gehandelt.
    Und schade war es ohnehin nicht um den Dreckskerl!
    »Klar sehe ich es«, erwiderte Rothschild. Dazu grinste er breit. Der Himmel schien ihm weder Furcht noch Respekt einzuflößen. Er benahm sich, als wäre es das Normalste auf der Welt, dass er… krank aussah, seltsam falsch und dadurch bedrohlich.
    Obwohl - ein leiser Hauch von Besorgnis schien sich doch einzustellen, je länger Rothschild nach oben schaute. »Vielleicht«, sagte er, »sollten wir uns doch ein bisschen beeilen. Könnte sein, dass er wieder experimentiert. Und das ging schon öfter in die Hose…«
    Gwaysi wollte wissen, von wem er sprach. Aber ihr Begleiter wiegelte ab, vertröstete sie auf später. »Du wirst ihn ohnehin kennen lernen. Und keine Angst - er ist ein Guter.« Feixend fügte er hinzu: »Wie ich.«
    Kopfschüttelnd folgte sie ihm. Warum sie ihm vertraute, vermochte sie selbst nicht genau zu sagen. Aber sie spürte seine Aufrichtigkeit in den wichtigen Dingen. Dass er sich nebenbei auch als Geheimniskrämer versuchte, störte sie nicht allzu sehr. Zumindest noch nicht.
    Inzwischen hatte sie sich schon einiges zusammengereimt. Demnach war Rothschild mit einem Artefakt, das sich ursprünglich in Angus Corrs Besitz befunden hatte, unterwegs zu demjenigen, der ihn offenbar losgeschickt hatte, dieses Relikt aus der Vergangenheit zu »besorgen«.
    Gwaysi wunderte sich über sich selbst. Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie sie Rothschild verstohlen musterte. Was sie sah, gefiel ihr, obwohl er nicht sonderlich athletisch gebaut war, eher Durchschnitt. Schlank, mittelgroß, aber immerhin schien er über eine gute Kondition zu verfügen und - sie wunderte sich selbst, dass ihr das wichtig war - über eine warme, humorige Art, die sie mehr ansprach, als sie sich eingestehen wollte. Obwohl auch er gerade dem Tod in Ayr entronnen war, hatte er seine Fröhlichkeit und seinen Optimismus nicht verloren.
    Und sie selbst? Zu ihrem Erstaunen stellte sie fest, dass die Zeit der Sklaverei, der Unterdrückung und der täglichen Schläge sie jetzt, im Nachhinein, kaum mehr berührten. Ein paar Stunden Fahrt im Buggy, ein Fußmarsch… und alles schien mehr und mehr von ihr abzufallen.
    Es war wie eine Häutung. Sie ließ die Monate unter Angus Corrs Knute einfach hinter sich, und all das Schreckliche, das ihr während der Gefangenschaft widerfuhr. Es war Corrs Schergen nicht gelungen, sie zu brechen. Obwohl sie ihr alle Würde und sogar die Sprache ihrer Heimat genommen hatten. Gwaysi erinnerte sich mit Schrecken daran, dass sie ihr das »Kauderwelsch«, wie sie es nannten, mit Schlägen und Tritten ausgetrieben hatten, bis es ihr gelungen war, das »r« auszusprechen. Das war damals schon ihrer Schwester Twaysi im Dorf der Lords gelungen, die sich danach

Weitere Kostenlose Bücher