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255 - Winterhexe

255 - Winterhexe

Titel: 255 - Winterhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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Rothschild«, hatte Gwaysi dem hageren Mann eingehämmert, als er aus der Bewusstlosigkeit erwacht war.
    Und statt auf Abwehr oder Angriff zu schalten, hatte Balcron ihr bereitwillig Auskunft erteilt. Ihr Wille zwang ihn dazu. Ohne dass es ihm selbst bewusst wurde.
    Balcron sprach von seinem Traum, seiner Vision. Er war von einem fast schon unerträglichen Drang erfüllt, das Leben erst der Menschen hier und später überall auf der Welt zu erleichtern, lebenswerter zu machen. Das »Wie« war beeindruckend, auch wenn es für Gwaysi kaum nachvollziehbar blieb. Balcron war ein Techno, und als solcher ging er in den Hinterlassenschaften der Alten förmlich auf. Und in Rothschild hatte er die perfekte Ergänzung zu seiner eigenen Natur und den Absichten, die er verfolgte, gefunden.
    Rothschild hatte ihm die Artefakte besorgt, nach denen Balcron verlangte, um die hiesige Anlage aus ihrem Jahrhunderte alten Schlaf zu erwecken.
    Die Anlage - laut dem Techno stammte sie aus der Zeit vor Kristofluu - war erbaut worden, um damit das Wetter nach Belieben zu beeinflussen; zunächst in einem eng begrenzten Gebiet, später landesweit. Sie war jedoch nie vollendet worden.
    Balcron hatte die unterirdisch angelegte Kontrollstation vor wenigen Monaten entdeckt, nachdem er alten Aufzeichnungen nachgegangen war. Mit Rothschild hatte er erst Kontakt aufgenommen, nachdem er den Bunker gefunden und in Besitz genommen hatte.
    Seither liefen Balcrons Bemühungen, die vorhandenen Systeme zu aktivieren. Ein Schritt auf dem Weg dorthin hatte Rothschild das Leben gekostet.
    Das Unwetter, das ihn und Gwaysi in den Schacht mit der Snäkke getrieben hatte, war von Balcron verursacht worden, wie sich jetzt herausstellte. Als ihr das klar wurde, war sie versucht, den Techno mittels ihrer neu entdeckten Gabe zum Selbstmord zu zwingen. Doch gerade noch rechtzeitig hatte sie sich besonnen.
    Balcrons Traum waren ein ganzjährig mildes Klima und daraus hervorgehend Nahrungsmittel im Überfluss.
    Gwaysis Traum war sehr viel banaler.
    Rache.
    Sie wollte die Welt spüren lassen, was die Welt ihr angetan hatte.
    »Kannst du mit dem Ding, das ich dir gebracht habe, etwas anfangen? Hilft es dir, Gott zu spielen?«
    Balcron erhielt ausreichend Zeit und Gelegenheit, das Artefakt in Augenschein zu nehmen. »O ja«, sagte er schließlich mit glitzernden Augen, »es bedeutet den erhofften Quantensprung in der Energieeffizienz der Anlage.«
    »Dann«, forderte sie ihn auf, »beeile dich, es in deinen Apparat einzubauen. Ich will sehen, wie du Wetter zauberst.«
    Balcron war arglos. Er hatte ihr verziehen, was sie ihm angetan hatte. Und er würde es bald ganz vergessen haben. In seiner Vorstellung würde Gwaysi so gütig sein wie er selbst. Und ihre Ziele würden nur zu des Menschen Besten sein.
    Selbst wenn er auf ihr Geheiß den Tod entfesselte, würde er, wenn es nach Gwaysi ging, nichts davon mitbekommen.
    9.
    Ende Oktober 2525
    Ayliise beobachtete aus ihrem Versteck heraus, wie die Reiter das Dorf verließen. Sie haderte mit sich. Die Fremde vorhin… als sie auf sie zugekommen war und auf sie eingeredet hatte, hatte Ayliise ihre Freundlichkeit und das Interesse gespürt, das sie ihr entgegenbrachte. Die Fremde interessierte sich für Ayliise - für ihr Schicksal und das, was sie bewogen hatte, den Menschen im Dorf den Rücken zu kehren. Wenn sie wüsste. Wenn sie auch nur ahnte, was ich tue, wem ich meine Seele verschrieben habe…
    Ayliise schauderte bei dem Gedanken. Und konnte doch nicht anders, als ihr Walkie-Talkie hervorzuholen und mit brüchiger Stimme hineinzusprechen: »Die drei sind unterwegs zum Wirbel. Bitte verschone sie, Herrin. Ich…«
    Sie brach ab, als hinter ihr Zweige knackten. Erschreckt fuhr sie herum. So heftig, dass ihr das Sprechgerät aus der Hand glitt und in den Schnee fiel.
    Martialische Gestalten grinsten sie an. Krieger, die Ayliise nie zuvor gesehen hatte.
    Der größte und düsterste von ihnen erhob in diesem Moment Schwert und Stimme: »Was tust du da, Weib?«
    Statt zu antworten, wollte sich Ayliise umwenden und fliehen. Doch als sie herumfuhr, stand vor ihr ein vierter Krieger, der sich unbemerkt angeschlichen hatte.
    Der Anführer stapfte Ayliise entgegen. »Du willst also nicht mit uns reden, Weib?« Er blinzelte ihr zu. »Aber das wirst du. Ganz bestimmt wirst du das…«
    Ayliises Augen weiteten sich. Sie wollte schreien. Aber die Hand, die ihr den Mund verschloss, war schneller.
    ***
    Der Wirbel aus Eispartikeln kreiste

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