2574 - Das Lied der Vatrox
ablehnender oder ungläubiger
Haltung.
»Ich kenne die Frage, die nun gestellt werden wird«, fuhr sie nach einer Weile fort. »Wie ist
das geschehen? Nun, die Berechnungen haben zu der Annahme geführt, dass Vatar VIII - Pem - dabei
eine maßgebliche Rolle spielte.«
Pem war eigentlich gar kein Planet, auch wenn er im Allgemeinen als solcher bezeichnet wurde,
sondern ein Brauner Zwerg mit einer Oberflächengravitation, die den Standardwert von Vat um
nahezu das Dreißigfache überstieg, bei einer Masse, die das Fünfzehntausendfache des
Heimatplaneten betrug.
Das entsprach zwar trotzdem nur einem Bruchteil von Vatar, doch hinzu kam eine stark
elliptische Umlaufbahn, die genau neunzig Vat-Jahre dauerte.
»So, wie unser Fest der Frauen alle neunzig Jahre stattfindet«, fügte Lucba lächelnd
hinzu.
Es war also durchaus vorstellbar, dass sich für eine Zeit lang, während der Phase der größten
Annäherung, die gemeinsame Raum-Zeit-Krümmung von Vatar und Pem zu stark gewesen war. Und zwar
gerade zu dem Zeitpunkt, als der tiotronische Hyperimpuls das Vatar-System erreichte.
»Er wurde eingefangen und erst wieder freigegeben, als Pem sich von Vatar entfernte.«
Lucba machte eine kurze Pause. Ein schwebender Roboter brachte ihr ein Glas Wasser, das sie in
einem Zug leerte und dann auf das Tablett zurückstellte.
Um sie im Halbdunkel atemlose Stille; es war gut, das Licht weiterhin gedimmt zu halten.
*
»Während der Absorptionszeit ist etwas geschehen«, nahm Lucba den Faden wieder auf. »Etwas,
das Vatar verändert hat, dessen sind wir sicher. Es gibt noch keine Berechnung darüber, wie genau
das stattgefunden hat, aber das Ergebnis liegt auf der Hand. Ihr habt es gesehen. Ihr habt es
gespürt. Und ihr wisst es, wenn ihr euch zu den Kreisen zusammenfindet. Das war die
Initialzündung zur mentalen Veränderung der Frauen.«
Gesehen und gespürt hatten die Zuschauerinnen es mit dem symbolischen Licht. Ein Teil der dem
tiotronischen Hyperimpuls aufgeprägten Informationen hatte sich bis in die Gegenwart hinein
erhalten und war empfangbar.
Das Wissen, das auf sie eingestürmt war, konnte durch diese Erkenntnis eingefangen und
analysiert werden. Die Köpfe der Vatrox-Frauen mochten zwar vollgepackt damit sein, aber derzeit
konnten sie nicht viel damit anfangen, weil sie es nicht einzeln abrufen und begreiflich machen konnten. Aber der erste Schritt war getan
Das Wichtigste aber war die Schlussfolgerung, dass auf diese Weise das plötzliche Auftreten
der mentalen Fähigkeiten der Vatrox-Frauen erklärt werden konnte. Weshalb die Veränderung der
Sonne keine Auswirkungen auf die Männer zeitigte, würde wahrscheinlich auf ewig unklar bleiben.
Zumindest nach derzeitigem Wissensstand gab es keine Erklärung dafür.
Es erklärte auch, weshalb traditionell alle neunzig Jahre das Fest der Frauen mit dem globalen
Großkreis stattfand. Denn bei der größten Annäherung von Pem an Vatar fand zugleich die größte
Annäherung an Vat statt. Der Braune Zwerg war dann sogar mit bloßem Auge am Sternenhimmel gut zu
erkennen.
Und dann, ob als Spiegeleffekt oder was auch immer, war das Wissensecho von damals besonders
stark zu empfangen, bis Pem sich wieder zu weit entfernt hatte. Dieses Wissensecho war demnach am
Tag der größten Annäherung am stärksten. Etwas, das die Frauen in den Großkreisen stets
wahrnehmen konnten, ohne allerdings eine Erklärung dafür gehabt zu haben. Doch instinktiv hatten
sie die Bedeutung dieses Ereignisses erkannt und den Rhythmus darauf abgestimmt.
Am heutigen Tag waren ihre Kräfte am stärksten, und sie fanden zur höchsten Einheit. Immer
hatten sie dabei das Hintergrundrauschen vernommen, danach gesucht, versucht, es zu
ergründen.
Das Signal konnte nicht mit normalen Hyperfunkgeräten empfangen werden, und normalerweise
blieb es im natürlichen Rauschen Vatars unbemerkt - nur eben an diesem Tag der besonderen
Konstellation und Nähe der drei Himmelskörper nicht, wenn die Frauen ihr Bewusstsein dem Draußen
öffneten.
»Der nächste Schritt wird sein, diese Informationen, die momentan unsere Geister verwirren,
bewusst wahrzunehmen und zu entschlüsseln«, erklärte Lucba. »Auch wenn es nur ein
fragmentarisches Wissensecho ist, die Datenmenge ist immer noch so groß, dass wir sie nicht
einmal ansatzweise aufnehmen können. Deshalb müssen wir uns behutsam herantasten. Eine Hilfe mag
dabei meine Visualisierung
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