262 - Route 66
Sie das.« Matt sah neugierig zu dem silbrigen Behälter hinüber. »Werde ich die Kontrolle über meine Träume haben? Kann ich selbst bestimmen, was als Nächstes auf der Reise passiert?«
Julanda Saintdemar schüttelte den Kopf. Ihre braunschwarzen Haare waren zu einem strengen Zopf zusammengefasst, der bei dieser Bewegung leicht wippte. Die rötlichen Pigmente auf ihrer weißen Haut stachen deutlich hervor. »Nein. Genau genommen werden Sie nicht einmal wissen, dass es eine Simulation ist, in der Sie sich befinden. Nur wenn Sie die Umgebung samt den Materialisationen und Illusionen für real halten, kann sich Deimos von Ihren Emotionen ernähren. Es ist wie in einem Traum. Sobald Sie merken, dass Sie träumen, wachen Sie auf. In dem Fall wird die Verbindung zwischen Ihnen und dem Kraken unterbrochen und der Tank öffnet sich automatisch.«
Matt dachte darüber nach. Schade, dass der Traumkrake nicht wirklich wie das Holodeck auf der Enterprise funktionierte; auch wenn dieses nur eine Fiktion war und das hier die Wirklichkeit. Dann hätte er die Abläufe innerhalb der Traumkammer bewusst bestimmen und das Programm bei Bedarf abbrechen können.
Er zögerte. »Ist es nicht gefährlich, wenn meine Vorstellungen unbewusst materialisiert werden?«
Julanda Saintdemar wies auf die Konsole. »Genau dafür haben wir die mit dem Kraken verbundene Technik. Sie werden nie wirklich in Gefahr sein, was auch immer auf Ihrer Reise passiert. Bevor Sie verletzt werden, wird das Material zu einer Illusion gestaucht. Außerdem ermöglicht es die Programmierung, von vornherein alle Gefahrensituationen auszuschließen. Zusätzlich wird der Traumverlauf über das Terminal im Kontrollraum überwacht. Dort können wir Ihre Werte einsehen und im Notfall eingreifen. Allerdings gab es bisher noch nie Schwierigkeiten, und Sie sind der dreihunderteinundzwanzigste Teilnehmer am Projekt Deimos.«
»Also gut.« Matt berührte das Stahlglas mit den Fingerkuppen und blickte auf den Behälter hinunter. »Dann würde ich gern eine Reise buchen. Sagen wir gleich morgen früh?«
»Ich werde alles vorbereiten. Seien Sie bitte pünktlich zu Beginn der Alpha-Phase hier.«
Matt nickte. In seinen Gedanken fuhr er bereits mit Irvin und Hank die Route 66 entlang, mit einem Grillrost, Holzkohle, Steaks und Marshmellows im Kofferraum. Und ein, zwei Fässchen deutschem Bier - dem leckersten der Welt.
Unwillkürlich musste er an seine Stationierung in Berlin denken, und die Romanhefte aus dem Antiquariat an der Ecke, die er damals verschlungen hatte, um sein Deutsch zu verbessern. Eine der Serien hatte sogar in der Heimat gespielt, und die Protagonisten waren mehr als einmal auf der Route 66 gefahren.
Nun, vielleicht konnte er die beiden Trucker ja sogar in seinen Traum einbauen lassen. Er grinste versonnen. So würde es tatsächlich möglich sein, Romanhelden zum Leben zu erwecken! Irre!
Ich frage Doktor Saintdemar einfach mal danach , dachte er. Die Sache mit der Traumreise gefiel ihm immer besser.
***
Pünktlich zur Alpha-Phase war Matt in der Traumkammer. Julanda Saintdemar hatte schon das Gröbste vorbereitet und nahm nun mit Matts Hilfe die Feinabstimmungen vor.
Er trug einen schwarzen Thermoanzug, damit sein Körper in der Lösung nicht zu stark auskühlte. Die zähe Flüssigkeit war angenehm lauwarm. Matt stieg mit einem flauen Gefühl im Magen hinein. Sobald er in dem Tank lag, würde der Krake sich an seinem Nacken mit ihm verbinden. Dazu benötigte der Organismus nur Körperkontakt. Eine Verletzung der Haut war nicht notwendig.
Doktor Saintdemar erklärte ihm das weitere Procedere. Matt würde mit dem Kraken im Tank nach unten gefahren, in eine Vertiefung im Boden des Raumes. Sobald er eingeschlafen war, was innerhalb von Sekunden passierte, würde über ihm eine Kopie seiner selbst erscheinen, ein so genannter Avatar. Matt würde es so vorkommen, als erlebe er alles wie in einem real erscheinenden Traum. Durch die Augen der Kopie würde er die Landschaft sehen, von der er träumte, und mit seinen Händen und dem Körper würde er alles berühren können, was der Traumkrake um ihn herum materialisierte.
Solange die Marsianer dieses Geschöpf nur als Unterhaltungsmedium nutzen, ist es eine tolle Sache , dachte Matt bei sich, während er sich hinsetzte. Ich hoffe nur, dass man es nicht für niedere Zwecke missbraucht. Das Potential ist jedenfalls gewaltig.
Dann legte er sich ganz in die warme Lösung und betrachtete die Ausgangsdüse der
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