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269 - Andronenreiter

269 - Andronenreiter

Titel: 269 - Andronenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Vennemann
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zuvor
    So leise wie möglich schloss Gosy die Tür des Wohnhauses hinter sich. Es war früher Morgen, die Sonne würde erst in zwei Stunden aufgehen. Sie hatte diese Zeit gewählt, um sicher zu sein, dass niemand sie sah. Bald würde Mutter erwachen, um die Wakudas zu melken und das Frühmahl herzurichten. Und sicher würde auch Alfoons in absehbarer Zeit durch das Haus toben und herumquengeln, wieder reiten zu dürfen.
    Ihre Stiefel fühlten sich klamm vom Tau an. Die Feuchtigkeit hatte sich im Leder festgesetzt und ließ es leise knarzen, als sie hereinschlüpfte.
    Ein letzter Blick auf die verschlossene Tür und das dunkle Haus, dann wandte Gosy sich um und ging zum Stall hinüber. Dabei blickte sie scheu nach rechts und links, aber auch von den Söldner-Schülern und den anderen Andronenreiterfamilien schien noch niemand auf den Beinen zu sein.
    Gosy huschte in den dunklen Andronenstall. Der vertraute, herbe Geruch der Insekten empfing sie. Im Dunklen hörte sie die Tiere leise scharren und mit den Beißwerkzeugen klackern. Sie reagierten nicht auf Gosys Anwesenheit, waren es gewohnt, dass Menschen um sie herum waren.
    Durch eine weitere Holztür gelangte das Mädchen in den Verschlag, der als Sattelkammer und Heuschober genutzt wurde. Sie wandte sich nach links zu den aufgetürmten Ballen getrockneten Grases, wühlte ein wenig darin herum und fand, was sie suchte: ein langes Lederlasso und ein zweites Zaumzeug. Sie hatte die Sachen hier versteckt, gestern Abend, als sie vorgegeben hatte, noch die Auftragsliste aus ihrer Satteltasche holen zu wollen.
    Gosy hoffte, dass ihr eigener Sattel und ihr Zaumzeug am gewohnten Platz hingen. Das war keinesfalls sicher. Wenn »Pa«, ihr Großvater, wieder einmal nicht schlafen konnte, holte er sich gern mitten in der Nacht Zaumzeug und Sättel aus dem Stall, um sie im Haus auszubessern. Dann standen am nächsten Morgen die Reiter oft ohne ihre Sachen da und mussten an Großvaters Türe pochen.
    In dieser Nacht hatte er wohl durchgeschlafen, denn Gosys eigenes Zeug war an Ort und Stelle. Sie nahm es von den Haken und begab sich in den hinteren Teil des Stalls. Hier befanden sich die größeren Boxen, in denen die flugfähigen Tiere untergebracht waren. Damit ihre Flügel nicht zu Schaden kamen, waren die Boxen beinahe doppelt so breit wie die für die herkömmlichen, ungeflügelten Tiere.
    Die junge Andronenreiterin legte ihr Zeug auf den Boden, schnappte sich eine Handvoll Zucker aus einem Fass und trat auf eines der Gatter zu. »Hier, meine Kleine!«, lockte sie flüsternd.
    Die riesige Flugandrone, die bisher mit dem Hinterteil zur Stallmitte gestanden hatte, drehte sich um und zirpte leise. Mit den Mandibeln griff sie begierig nach dem süßen Klumpen. Gosy rieb den leicht feuchten Zucker auf die scherenartigen Fortsätze. Sofort führte das Insekt sie zur Fressöffnung und speichelte sie mit einem schmatzenden Geräusch ein.
    Derart mit Naschen beschäftigt, ließ sich das Tier ohne Probleme satteln. Gosy hatte sich eine Flugandrone ausgesucht, auf der sie schon einmal gesessen hatte und die sie auch vom Wesen her kannte. Dieses Exemplar war kräftig, gehorsam und genügsam - genau das, was sie brauchte, wenn sie ihren Plan in die Tat umsetzen wollte.
    Nachdem sie ihre Spuren verwischt hatte, lenkte Gosy das Tier durch das rückwärtige Tor. Draußen sprang sie noch einmal ab, verschloss auch dieses Tor und kletterte wieder auf den Rücken der Androne.
    Ein letztes Mal ließ sie den Blick über die Farm schweifen und atmete tief durch. Würde sie das hier vermissen? Bruno, ihre Mutter, Alfoons und die anderen? Ja, das würde sie. Aber was waren schon die paar Freundschaften und familiären Bande, wenn man sich so alleingelassen fühlte wie sie? Wenn man ständig das Gefühl vermittelt bekam, im Grunde nichts wert zu sein?
    Nein, hier würde sie nicht glücklich werden. Nicht als Frau eines Andronenreiters, der einen Job erledigte, den sie genauso gut selbst machen konnte. Gosy sah sich nicht als Gerberin und Handarbeiterin, noch nicht einmal als zukünftige Mutter.
    »Keine Zeit, sentimental zu werden«, murmelte sie und tauchte aus ihren Gedanken auf. Wenn alles glatt ging, würde sie die Farm nie wieder betreten. Sie beugte sich vor und schlug mit der flachen Hand leicht auf den Hinterkopf der Androne. Das Tier verstand das Kommando, entfaltete die Flügel und hob ab.
    ***
    Ihr Weg führte Gosy entlang der Ostküste Saadinas. Sie kannte die Route, war sie schon oft mit

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