271 - Früchte des Zorns
gesamte Mission gefährden?«
»Nein, aber…«
»Es gibt kein Aber! Aruula und Tumaara wissen, worauf sie sich eingelassen haben. Hab ein wenig Vertrauen in die beiden Damen!«
Die Worte fielen Matt schwer. Auch er meinte, dem bunten Treiben rings um die beiden Frauen von den Dreizehn Inseln Einhalt gebieten zu müssen. Schon wieder näherte sich einer der Spieler Aruula. Ein kleiner feister Mann mit Halbglatze. Er deutete eine Verbeugung an, stellte sich auf die Zehenspitzen und sagte ihr etwas in Ohr. An Aruulas maskenhaftem Lächeln erkannte Matt, dass sie mit den geflüsterten Worten ganz und gar nicht einverstanden war. Doch ihre Überraschung währte nur kurz. Sie beugte sich zu ihrem Gegenüber hinab und murmelte ihm nun ihrerseits etwas zu.
Der Mann erbleichte und blieb stocksteif stehen, während Aruula Tumaara mit einem neckischen Grinsen hinter sich her winkte und neuerlich ihren Standort wechselte.
»Um diese Frau musst du dir wirklich keine Sorgen machen«, sagte Matt mehr zu sich selbst, als zu Manoloo.
Trommelwirbel erklang, die anderen Instrumente verstummten. Augenblicklich endeten alle Gespräche. Jedermann wandte sich dem Eingang zu und drängte in die Nähe des Mittelgangs.
Der Maareschall stellte sich breitbeinig neben der Türe hin und verkündete lautstark: »Seht und ehrt die Grazie! Beugt eure Häupter vor der Schönsten aller Schönen! Erweist ihr die Ehrerbietung, die ihr und ihren Ahnen zukommt. Hier ist sie: die Einzigartige! Die Grazie des Reichs der Grimmigen Blüte, die Landesherrin Monaccos, Augapfel und Stimme der Götter! Das Licht, das unsere vielgeliebte Heimat aus der Dunkelheit in eine vielversprechende Zukunft führt. Bezeugt eure Demut vor Jolie, unser aller Herrin!«
Die Schwingtüren öffneten sich langsam. Totenstille herrschte, jedermann schien den Atem anzuhalten.
Mit leisen Tappsern kam ein Sebezaan in den Raum geschlichen. Er war in ein Ledergeschirr gezwängt, das ihn sichtlich beengte. Das Tier wand sich, bewegte sich unruhig nach links und rechts, fauchte.
Erschrocken sprangen die Menschen zurück, wollten sich vor dem vermeintlichen Untier in Sicherheit bringen. Panik drohte auszubrechen.
Da erklang eine zarte Stimme. Sie sagte Unverständliches, doch augenblicklich entspannte sich der Sebezaan und setzte nun sanft eine Pfote vor die andere, den zentralen Gang des Kasinos entlang.
Matt holte tief Atem. Eine Frau kontrollierte den Sebezaan! Auch die Amazonen von Berlin hatten besondere Gewalt über ihre Tiere ausgeübt, während die Männer stets ihre Opfer gewesen waren.
Erneut ertönte diese zarte, freundlich klingende Stimme, und erneut reagierte der Sebezaan aufs Wort. Er gähnte, streckte sich aus und legte seinen Kopf auf die sandfarbenen Pratzen, um gleich darauf die Augen zu schließen und gleichmäßig zu atmen, als schliefe er.
Matt wandte den Blick von der Riesenkatze ab und nahm jenes Gefährt in Augenschein, das sie ins Kasino gezogenhatte. Ein Vehikel aus rostigem, bunt verziertem Metall - dessen Form er nur allzu gut kannte.
»Ein Fiat Cinquecento!«, flüsterte er entgeistert.
»Fünfhundert… was?« Manoloos Stimme klang erstickt. Ängstlich. »Ich verstehe nicht.«
»So nannte man dieses Gefährt dort… früher, vor langer Zeit«, beeilte sich Matt zu sagen. Er konnte den Blick nicht vom Cinquecento und seinem einzigen Passagier abwenden. Wie auch? Es war zweifellos die Grimmige Grazie, die sich in die Karosserie gezwängt hatte.
Jolie als »dick« zu bezeichnen, wäre noch eine freundliche Untertreibung gewesen. Die Grazie war derart fett, dass sie den Fiat zur Gänze ausfüllte - und dennoch die fleischigen Arme aus den Seitenfenstern strecken musste.
***
Hoorge hatte recht behalten. Die Grazie war unverwechselbar.
Auf dem unförmigen Leib saß ein Kopf, so grazil und so zart geformt, dass man meinen könnte, dass er künstlich aufgepfropft worden war.
Die Grazie lächelte mit vollen roten Lippen. Blondes und fülliges Haar rahmte das bildhübsche Gesicht ein. Wangengrübchen und dünne Falten um den Mund kündeten davon, dass die Frau gerne und oft lachte. Die Augen, blau und golden eingerahmt, zeugten von Humor. Jolies Blicke schienen jeden einzelnen Gast zu erfassen und ihn abzuwägen. Auch Matt fand sich für einen Augenblick im Fokus ihrer Aufmerksamkeit. Er meinte, so etwas wie Belustigung zu erkennen.
Sie ist wunderschön! , dachte Matt irritiert. Hübscher als alles, das ich jemals zu Gesicht bekommen habe…
Er
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