2720 – Im Stern von Apsuma
...
*
Schechter löste den Ghyrd. Wer auch immer da kam, er würde ihn töten ...
»Bleib stehen!«, rief eine Stimme. »Lass die Waffe fallen, oder ich muss dich erschießen!«
Schechter schüttelte sich. Gelber Nebel senkte sich, nahm ihm die Sicht. Er kniff die Augen zusammen.
Gerade war es noch so warm gewesen, dass er völlig ausgetrocknet war, der Flüssigkeitsverlust ihn taumeln ließ. Nun taumelte er vor Kälte.
Er halluzinierte noch immer. Wirklichkeit und Einbildung verwoben sich zu einem fein gesponnenen Netz. Er konnte nicht mehr zwischen ihnen unterscheiden. Auch der Gleiter war eine Einbildung, musste eine sein. Hier gab es nichts, nur Eis. Er war nicht in die Wüste von Aunna gestürmt, um eine Möglichkeit zur Flucht zu suchen, sondern um den Tod zu finden.
Der Gleiter war nicht wirklich, und auch die Stimme, die er zu hören geglaubt hatte, existierte nicht.
Aber das Eis, das sich endlos ausdehnte, die Kälte, die sich in ihn fraß, sie waren real.
»So ist es besser«, fuhr die Stimme fort. »Nimm dieses Monstrum von Waffe runter!«
Verwirrt blickte Schechter sich um. Er sah noch immer nur Eis, eine endlose, kalte Wüste, eine Ebene, die sich bis zum Horizont erstreckte. Wie viele Kilometer war er gelaufen, seitdem die Dornwürmer seine Mitgefangenen getötet hatten? Wie lange schleppte er sich schon durch diese lebensfeindliche Umgebung?
Er spürte, dass der Ghyrd locker um seinen Oberkörper schlabberte. Er hatte die Zwangsjacke nicht festgezogen. Er war nicht auf einem Bein durch die Eiswüste gehüpft und hatte mit dem anderen den Thermostrahler getragen. Niemand war in der Nähe gewesen, und er hatte nicht befürchten müssen, die Kontrolle über sich zu verlieren. Er hatte die schwere Waffe in den Händen gehalten.
Die Waffe, die er gerade noch auf den Tefroder gerichtet hatte, der ins Freie getreten war, nun aber langsam senkte. Der Fremde war in einen Raumanzug gehüllt, hatte den Individualschirm aktiviert. Jedenfalls umgab ihn ein flimmerndes Energiefeld.
Eine Halluzination, dachte Schechter. Der Tefroder ist eine Halluzination, genau wie der Gleiter.
Schechter rang um die Kontrolle über seinen Geist. Er verspürte das Verlangen, den locker sitzenden Ghyrd abzuwerfen, sich auf den Neuankömmling zu stürzen. Doch er war schwach und erschöpft und der tödliche Trieb in ihm ebenfalls.
Beides hielt sich die Waagschale. Es gelang Schechter, sich zu beherrschen. Er senkte die Waffe.
»Warum soll ich auf dich zielen?«, sagte er. »Du bist gar nicht vorhanden. Du bist nur eine Halluzination. Wie der große Wurm.«
»Was?«, fragte der Tefroder. »Hast du nicht gemerkt, dass die ganze Zeit jemand über dich gewacht hat? Nicht erst seit diesem Picknick, sondern schon, seit du in Holosker bist?«
Die Worte trafen Schechter bis ins Mark. Er ließ die Waffe fallen, dachte nicht mehr daran, den Ghyrd abzustreifen.
Nun wurde ihm einiges klar. Sogar das seltsame Gefühl, das er immer wieder gehabt hatte.
»Was glaubst du«, fuhr der Tefroder fort, »wer dafür gesorgt hat, dass die Schneekugel in deine Nähe gerückt ist? Wer hat zu dir gesprochen? Du hast Freunde, Schechter.«
»Freunde? Die sind genauso echt wie du.« Er schüttelte den Kopf. »Es gibt sie gar nicht. Ich habe keine Freunde.«
»Wenn du meinst. Dann stirb hier auf Aunna. Es ist deine Entscheidung.«
»Wenn du echt bist – was willst du von mir?«
Der Tefroder dachte kurz nach. »Ich will ehrlich zu dir sein, Schechter. Mein Name ist Gador-Athinas, und ich will dich engagieren.«
»Engagieren? Wofür?«
»Du sollst Vetris-Molaud töten«, sagte der Tefroder ruhig.
15.
VOHRATA
1. September 1514 NGZ
Der Hohe Tamrat Vetris-Molaud hatte nicht geahnt, dass 24 Stunden zu einer Ewigkeit werden konnten.
Zwei Stunden vor Anbruch des 1. Septembers hatte er sich an Bord seines Flaggschiffs begeben, der VOHRATA, eines 2000-Meter-Raumers der NEBERU-Klasse. Er wusste, dass er in den nächsten Stunden keine Minute Schlaf finden würde, und hatte sich von den Medikern Substanzen verabreichen lassen, die ihn durch den bevorstehenden Tag bringen würden.
Kurz vor Mitternacht erteilte er dem Kommandanten der VOHRATA den Befehl, zum Rand des Helitas-Systems zu fliegen. Niemand konnte genau sagen, was geschehen würde, wenn der Erdmond eintraf. Oc Shozdor von der Gläsernen Insel hatte ähnliche Vorkehrungen getroffen. So hatten sie es abgesprochen.
Dann brach der Tag X an. Für die nächsten 24 Stunden hatten
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