273 - Die Wandlung
habe?«
Tumaara nickte. »Dykestraa hat mir davon erzählt. Sie sagte, du kannst sogar durch die Augen des Falken sehen und kennst dich deshalb besser aus als jeder andere. Sie sagte auch, wie gefährlich der Weg ist, seitdem die Nordmänner die Izeekepirs vor Jahren in den Süden trieben und sich die Bestien auf den Inseln angesiedelt haben. Ich dachte, vielleicht hast du eine Karte, die einen möglichst ungefährlichen Weg zeigt.«
»Sicher. Komm doch mit rein.« Ludmeela wies mit der Hand auf die Tür der Hütte.
Tumaara folgte mit klopfendem Herzen. Sie schaffte es nicht, sich in der Gegenwart Ludmeelas zu entspannen. Die Schuld saß tief in ihr und machte jede Bewegung schwer. Trotzdem vergaß sie ihr schlechtes Gefühl für einen Augenblick, als sie in Ludmeelas Hütte trat. Ein lautloses Oh entfuhr ihren Lippen. Selten hatte sie eine so eigenwillige Behausung gesehen. Ludmeelas Hütte unterschied sich deutlich von denen der anderen Kriegerinnen. Von den Deckenbalken baumelten bunte Federsträuße. Die meisten bestanden aus Falkenfedern, doch Tumaara erkannte auch die Federn anderer Vögel. Auf dem Boden lagen zwei Izeekepirfelle und die Wände waren mit brauner Farbe bemalt. Auf einer alten Decke lag ein runzliges, hängebäuchiges Pigin, das zu schlafen schien und sich auch nicht regte, als Tumaara eintrat. Das Hausschwein wirkte alt und noch grauer, als Pigins ohnehin waren.
Über die Quer- und Längsseiten der Hütte huschten die roten Umrisse von fliegenden Falken. Ob Ludmeela diese Bilder mit ihrer einen Hand selbst gemalt hatte?
Ludmeela ging an dem Felllager am Boden vorbei und trat zu einer von insgesamt drei hölzernen Truhen an der Längsseite des Raumes. Sie öffnete sie sorgsam und holte mehrere zusammengerollte Lederkarten hervor, die sie abschätzend betrachte. Schließlich hob sie eine der Karten hoch und ließ den Deckel der Truhe wieder zuschnappen.
»Das ist sie. Auf der Karte siehst du den Weg über die Berge, hin zur Siedlung, in die ihr müsst. Ich zeichne dir den günstigsten Weg auf.« Sie legte die Karte mit der einen Hand auf den Deckel der Truhe, entrollte sie und griff nach einem Federkiel. »Würdest du mir bitte das Glasfässchen auf der Fensterbank bringen und öffnen?«
Tumaara beeilte sich, das Glasgefäß zu holen, und öffnete es vorsichtig. Ludmeela tunkte den Federkiel hinein, wartete, bis er sich vollgesogen hatte, und zeichnete dann rasch und sicher einen Weg ein. Sie gab Tumaara den Kiel zurück und die legte ihn ebenso wie den Behälter wieder ab.
»Danke.« Tumaara sah beklommen auf die Izeekepirfelle. »Ich hätte damals für dich da sein müssen.«
Ludmeela hielt ihr die Karte mit ihrer einen Hand entgegen. »Es sind viele Winter vergangen. Lass uns diesen leidigen Vorfall vergessen.«
Tumaara sah in ihre blassblauen Augen und konnte darin keinen Hass entdecken. Ludmeela wirkte ehrlich. Zögernd nahm sie die Karte. »Wenn du es wünschst.«
»Wirst du Maddrax und Aruula begleiten?«, wechselte Ludmeela das Thema.
Tumaara nickte. »Besonders um diese Zeit ist die Reise gefährlich, da die Izeekepirs ihren Nachwuchs haben und angriffslustiger sind als sonst. Und da ich ohne die beiden nie so schnell und sicher auf die Dreizehn Inseln gelangt wäre, schulde ich ihnen etwas.«
Ludmeela begleitete sie zur Tür. »Nehmt ihr weitere Kriegerinnen mit?«
»Dykestraa und Arjeela wollen ebenfalls mitkommen. Arjeela verehrt Aruula, seitdem sie sie das erste Mal als Kind getroffen hat.« Tumaara musste lächeln, als sie an den gestrigen Abend dachte. Arjeela hatte Aruula den ganzen Abend über umschwärmt und versucht, sie zu überreden, sich die Haare zu kämmen.
»Ich wünsche euch Glück für eure Reise. Die Götter werden über euch wachen und du wirst die Gruppe dank meiner Karte sicher anführen.«
Tumaara ergriff die eine Hand, die Ludmeela ausstreckte. »Wenn ich je für dich da sein kann, lass es mich wissen.«
Ludmeelas Gesicht war ernst. »Das werde ich.«
***
Aruula betrat gut gelaunt die Schmiede des Paares Kaalir und Toora. Letztere stand hinter ihrer Schmiedehütte im Freien an einem Ofen, der noch nicht beheizt war. Sie sah Aruula freundlich entgegen. Die streckte die Hand aus und ihre schmalen Finger verschwanden in der Pranke der kräftigen Frau. Im ersten Moment war Aruula dem Irrtum unterlegen, vor Kaalir zu stehen. Die Frau schien nur aus Muskeln und Sehnen zu bestehen. In ihrem Gesicht fanden sich keine weiblichen Züge.
»Wudan sa
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